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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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er. Jemand, der sein ganzes
Leben auf der Suche nach seinen Wurzeln war, nach seiner Identität. Solchen Menschen
galt Kellers Interesse, und genau aus diesem Grund hatte er möglicherweise Emilie
Braun zu seiner Lieblingspatientin erkoren, da er wusste, dass sie in zwei verschiedenen
Lebensbornheimen gelebt hatte und überdies, nun ja, ein wenig speziell war.
    Pohlmann
streckte seinen Rücken und ließ die Wirbel knacken. Warum nur hatte Keller ein solch
reges Interesse an Lebensbornkindern? Warum ausgerechnet an Emilie Braun? War es
ausschließlich das Interesse eines Arztes an seiner Patientin oder gab es da noch
andere Motive?
    Pohlmann
stand aus seiner unbequemen Position auf und ging einige Schritte im Raum umher.
Er besorgte sich ein Bier und beschloss, sich bei nächster Gelegenheit in Kellers
altem Büro im LKH umzusehen, um einige Fragen zu klären. Er wusste, er würde noch
viele Stunden in einer Umgebung verbringen müssen, die er nur widerwillig aufsuchen
würde. Er musste in einem Umfeld ermitteln, in dem jeder, den er befragte, mindestens
zum Teil wahnsinnig war, denn auch Pfleger, Ärzte und Schwestern waren seiner Meinung
nach nicht ganz bei Trost, wenn sie dort freiwillig arbeiteten. Man musste schon
selbst ein wenig verrückt sein, um es an diesem Ort auszuhalten. Sich der Umgebung
anpassen und an abstruse Gedanken und Wahnvorstellungen assimilieren, denn wer geistig
gesund dort seinen Job antrat, würde über kurz oder lang an seiner Wahrnehmung zweifeln,
öfter mal zu Medikamenten greifen, die einen das Dasein durch eine rosarote Brille
sehen ließen. Dorthin würde er gehen müssen, um erst einmal eine von mehreren offenen
Fragen zu klären, die da lautete: Wer war der Psychiater und Anstaltsleiter Prof.
Dr. Hans Keller wirklich?

Kapitel 20
     
    Hamburg-Eimsbüttel, 4. November
2010
     
    Pohlmann fühlte eine große Schwere
auf sich lasten, als er an diesem Abend, auf dem Sofa sitzend, den Berg an Widrigkeiten
betrachtete. Er schüttelte den Kopf, und die langen Haare engten seinen Blick ein.
Warum nur war er Bulle geworden? Warum hatte er nicht sein Geschichtsstudium beendet
und war Lehrer geworden, wie sein Vater ihm geraten hatte? Nein, aus purem Protest
dem Alten gegenüber wollte er etwas anderes machen. Etwas Cooles, wo er die Zügel
in der Hand halten konnte, eine gewisse Macht und Position innehätte. Doch welche
Zügel hatte er jetzt tatsächlich in der Hand? Gemessen an einem Leben in Ecuador,
unter Palmen mit einem Daiquiri in der Hand und einem Joint im Mundwinkel, war diese
neue Wirklichkeit, im trüben November in Hamburg, umzingelt von Akten, die von Mördern
und Opfern handelten, eine Realität, aus der er gern flüchten wollte. So wie damals,
als alles über seinem Kopf zusammenbrach. Martin betrachtete den dichten Nebel seiner
Gedanken. Flucht ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel , dachte er. Die einen
flüchten in die Karriere, andere in verlockende Abenteuer mit Frauen. Wieder andere
saufen sich die Birne zu, und dann gibt es noch welche, die das Land verlassen und
ihr Glück in der Fremde suchen. Pachten ein Hotel, lieben eine Einheimische in der
Nähe des Dschungels, akzeptieren, dass es Spinnen so groß wie Metzgerhände gibt
und glauben, sie hätten das Schicksal ausgetrickst. Realitätsflucht, so hatte ihm
Professor Keller seinerzeit ausgeführt, bringe nichts außer einer Verzögerung des
Heilungsprozesses. Er müsse lernen, sich den Anforderungen des Lebens ohne Murren
und Klagen zu stellen, die Dinge so zu nehmen, wie sie nun einmal seien, und nicht
darüber nachzudenken, ob es auch anders ginge.
    Nachdem
Martin sich diesen Schwachsinn und den des anderen Kollegen, auf dessen Couch er
drei Monate gesessen hatte, angehört hatte, beschloss er, genau das Gegenteil von
dem zu tun, was man ihm geraten hatte: Er haute ab. Er stellte den Antrag auf eine
Auszeit, wie er sie nannte, obwohl er noch gar nicht wusste, wie lange sie währen
und ob es überhaupt ein Ende davon geben würde. Sämtliche Bezüge wurden eingefroren,
aber das war ihm gleichgültig. Er hatte es satt, darüber nachzudenken, ob er oder
ob er nicht schuld am Tod seiner Sabine war, und was gewesen wäre, wenn sie nicht
in seinen Armen verblutet wäre. Hätten sie vielleicht Kinder zusammen gehabt, ein
Reihenhäuschen in einer friedlichen Siedlung, wo die Nachbarn über den Zaun gafften
und das Kind im Bauch bereits erahnten, lange bevor die Mutter selbst es wusste?
Er beschloss, sich diesem erzwungenen

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