Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
Möglichkeit gefunden hatten, sie richtig zu beerdigen, hatten sie die Leichen schließlich beschwert und in einem tiefen Teich ganz in der Nähe versenkt.
Ein stechender Geruch von Fäulnis schlug Andris entgegen – von dem üblen Gestank schwanden ihm fast die Sinne. Der Geruch war vertraut, doch einen Moment lang konnte er ihn nicht identifizieren.
»Kilmaruu«, murmelte er dann und erinnerte sich an die Schlacht in dem Sumpf und an den Geruch, der von den vor langer Zeit ertrunkenen Männern aufgestiegen war.
Andris griff in seine Tasche und holte ein kleines Gefäß mit einer stark riechenden Salbe heraus, die er für jenen Kampf vorbereitet hatte. Er schmierte sich ein wenig Salbe unter die Nase, so daß der faulige Gestank überdeckt wurde. Er warf Kiva das Gefäß zu und zog sein Schwert, dann nahm er eine kampfbereite Haltung ein. Die Elfen hinter ihm taten es ihm nach.
Ein verrottender, angeschwollener Leichnam stapfte durch das Blattwerk. Er hob eine aufgedunsene Hand und schleuderte Andris etwas Bräunliches, Nasses entgegen. Dieser hob das Schwert, um das Objekt abzuwehren, und die Klinge fuhr mühelos durch das schwammige Wurfgeschoß hindurch. Zwei Hälften eines Vampiregels – jede so groß wie seine Faust – zuckten zu seinen Füßen.
Andris schauderte. Die Egel waren so unersättlich wie ihre Namensvetter, und es war fast unmöglich, sie von ihrem Opfern zu lösen. Wenn ein solcher Egel an einem lebenden Ziel Halt fand, konnte er dem Körper so viel Blut aussaugen, daß man eine Flasche Wein damit füllen konnte, ehe es gelang, ihn zu durchtrennen.
Die untote Kreatur kam ihnen weiter entgegen und zog ihr Schwert aus einer rostigen Scheide. Andris stellte sich ihr und wehrte den Angriff ab. Das »Schwert« zerbrach beim ersten Aufeinandertreffen wie getrocknetes Schilf und entpuppte sich als dünner Hohlkörper.
Andris warf einen Blick auf die Brust des Toten und mußte aufstöhnen. Er sah die Stichwunde ins Herz, die vom bleichen, aufgedunsenen Fleisch fast verdeckt wurde. Dies hier war Dranth gewesen, ein Jordain-Student, der das Kolleg wegen einer »schwächenden Krankheit« verlassen hatte – eine so falsche Behauptung wie die, durch die Andris von Kiva rekrutiert worden war. Dranth war im Sumpf gestorben, erstochen von einer riesigen Blutmücke. Die Waffe in Dranths untoter Hand war das Objekt, das seinen Tod verursacht hatte: der Rüssel einer Blutmücke.
Seine Augen wiesen keinerlei Intelligenz auf, es war nichts von Dranth darin zu erkennen. Das machte es Andris etwas leichter. Mit drei schnellen Schlägen enthauptete er den wandelnden Leichnam und rammte sein Schwert durch das ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogene Herz.
Andris mußte sich vor Augen halten, daß Dranth bereits tot gewesen war. Er bückte sich, um das faulige Fleisch von seinem Schwert wischen.
Hinter ihm ertönte ein wortloses Wimmern des Grauens. Andris sah zurück. Die Undine konnte nur deshalb noch aufrecht stehen, weil Cibrone ihr einen Arm um die Taille gelegt hatte und sie stützte. Beide Frauen starrten voller Abscheu und Trauer auf den kopflosen Zombie nieder. Andris wußte genug über Elfen, um sich ihres großen Respekts vor dem Leben nach dem Tode bewußt zu sein. Sie konnten den Gedanken an einen wiederbelebten Leichnam einfach nicht ertragen.
Zwischen den von Ranken überzogenen Bäumen ertönte ein abgerissenes, gurgelndes Jammern. Der Jordain fuhr herum und trat der neuen Bedrohung entgegen, fest entschlossen, auch die wiederbelebten Leichen seiner anderen gefallenen Kameraden zu vernichten.
* * *
Themo erreichte die Hütte mit zwei Tagen Verspätung. Er glühte vor einem leichten Sonnenbrand und vor heller Aufregung und schien für jedes Abenteuer bereit. Angesichts des breiten Grinsens auf dem Gesicht des großen Mannes wußte Matteo, daß es kein Fehler gewesen war, sich in Themos Leben einzumischen. Dieser sprang vom Pferd und umarmte Matteo so schwungvoll, daß der fast befürchtete, er würde ihm mehrere Rippen brechen.
»Was hast du dem alten Ferris gesagt, daß er mich hat gehen lassen?«
Matteo reagierte mit einem schwachen Lächeln. »Möchtest du nicht lieber wissen, was wir eigentlich jagen?«
Themo hörte aufmerksam zu, nickte und machte hin und wieder einen Vorschlag. Er war bester Laune, als die Jordaini losritten und der Spur der Crinti ins Gebirge hinein folgten. Hinter jedem Busch und an jeder Höhle, die sie passierten, rechneten sie mit einem Hinterhalt. Spuren gab es
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