Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier
das war sie – fiel in traumloses Vergessen.
VIERZEHNTES KAPITEL
M atteo ritt durch das Nordtor des Jordaini-Kollegs geradewegs zum Übungsgelände. Obwohl die Sonne kaum mehr als ein blutroter Streifen über den Bergen im Westen war, arbeitete Vishna noch mit seinen Jordaini-Schülern. Mehrere Jungen trainierten paarweise mit kurzen Stöcken und erlernten die Routinen von Angriff und Abwehr, die sie für den Umgang mit den traditionellen Dolchpaaren schulten.
Der alte Magier hob den Blick und reagierte verärgert auf diese Abweichung von den Regeln. Reiten lernte man in der Arena und auf den Bahnen ringsum, da die Trainingsgelände frei bleiben sollten von jeglichem Unrat.
Als Vishna sah, wer der Reiter war, wandelte sich sein Zorn zu Besorgnis. Rasch verbarg er beide Gefühle und klatschte laut in die Hände. Die kämpfenden Jordaini ließen ihre Waffen sinken und drehten sich zu ihm um.
»Genug für heute«, sagte er lächelnd. »Begebt euch zum Abendmahl, ehe die Köche mit Hackmessern zu uns kommen, weil sie wütend sind, daß wir ihre Arbeit verschmähen.«
Der lockere Tonfall war Matteo so vertraut wie das kurze Funkeln im Blick des alten Kampfmagiers. Dennoch kam es ihm vor, als zwinge sich Vishna, unbeschwert zu klingen.
Als die Jungs fort waren, ging Vishna zu Matteos Pferd. »Vielleicht können wir einen Spaziergang machen, bevor es für die Augen eines alten Mannes zu dunkel wird.«
Matteo stieg ab und klatschte seinem Pferd auf den Hinterlauf, das daraufhin zufrieden in Richtung der Ställe davontrottete, während der Jordain neben seinen früheren Meister trat.
Keiner der beiden sprach, bis sie die in tiefem Schatten liegenden Reitwege erreicht hatten. Schwaches Mondlicht fiel durch die Bäume, Glühwürmchen begrüßten einander und die Nacht mit koketten Lichtspielen.
Schließlich sagte Vishna: »Vor einiger Zeit gab ich dir den Rat dein Geschick im Ausweichen oder gar im Täuschen zu schärfen. Erinnerst du dich?«
»Ja.«
Vishna lächelte. »Dir hat der Ratschlag nicht gefallen. Das Leben am Hof hat deine Prinzipien nicht aufgeweicht. Darüber bin ich froh, aber auch wenn es nicht erforderlich ist, geradeheraus zu lügen, solltest du lernen, die Wahrheit nicht offen vor dir herzutragen. Ich kenne dich seit deiner Geburt, und die Fragen, auf die du von mir Antworten haben möchtest, könnten nicht offensichtlicher sein, wenn sie auf deiner Stirn eintätowiert wären.«
Der Magier hob die Hand und beschrieb eine komplexe Geste. Die Jahre verschwanden, seine dünne, drahtige Gestalt gewann an Gewicht und wurde muskulöser. Die extreme Hakennase schwächte sich ab, und das dünne graue Lockenhaupt wurde voller und dunkler. Selbst in dem schwachen Licht konnte Matteo einen vertrauten Kastanienfarbton ausmachen.
»Dies ist mein wahres Aussehen«, sagte Vishna mit deutlich volltönenderer Stimme.
Matteo nickte und versuchte, die Wahrheit zu akzeptieren, die er im Gesicht des Magiers sah. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war zu groß, um über sie hinwegzusehen. Dies war der Mann, der ihn gezeugt hatte.
»Es ist eine lange Geschichte.« Vishna ging weiter, diesmal mit den weit ausholenden Schritten eines Kriegers, die Matteo bevorzugte. »Du kennst mich als Kampfmagier, und das bin ich auch. Aber ich bin viel mächtiger, als ich vorgebe, und auch viel älter. Vor vielen Jahren waren wir zu dritt, Freunde von Kindheit an, einig in unserer Liebe zu Halruaa und in unserer Leidenschaft für die Magie.«
Matteo blieb stehen und sah seinen Mentor – seinen Vater – an. »Du, Zalathorm und Akhlaur.«
»Du kennst die Geschichte?«
»Andris hat sie kombiniert. Du warst es, der ihm die Bücher gegeben hat, nicht wahr?«
Vishna schwieg einen Moment lang. »Eine unausgesprochene Wahrheit schwärt. Diese Geschichte wurde schon viel zu lange nicht erzählt. Zalathorm und ich lebten viel länger als erwartet, was auch mit dem Schutz zu tun hat, den uns der rote Stern gewährt. Ich entschied mich für ein ruhiges Leben und habe unter vielen verschiedenen Identitäten gelebt. Diese Inkarnation, der Jordaini-Meister Vishna, ist die jüngste.«
Ein düsterer Gedanke ging Matteo durch den Kopf. Vielleicht hatte die verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihm und Benn eine ganz offensichtliche Erklärung. »Hast du noch andere Kinder?«
»Keines, das noch lebt.«
»Was ist mit den Nachfahren deiner Kinder?« bohrte Matteo nach.
Der Magier seufzte. »Es gibt einen, doch der wird keine Kinder zeugen,
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