Ratgeber & Regenten 03 - Der Krieg der Magier
sagte Matteo, er müsse keine Schuld für die Entscheidung seiner Mutter oder für die Tatsache empfinden, daß der Bauer und seine Frau keine Kinder haben konnten. Es waren Entscheidungen, die andere getroffen hatten. Vishna hatte ihn oft gewarnt, keine Verantwortung zu übernehmen, die nicht seine war. Er hatte gesagt, dies sei nur eine Form von Stolz.
Stolz, vermutete Matteo, der ihm hier den Untergang bescheren konnte.
Er streckte die Arme aus, ballte die Fäuste und bewegte sie in die eine, dann in die andere Richtung. Seine eigene Gestalt schien fast so geisterhaft wie die seiner unglückseligen Mutter. Einen Moment ergriff Panik von ihm Besitz. Wenn er sich nicht auf seine Kraft und sein Geschick als Krieger verlassen konnte, dann war alles verloren!
Ihm wurde klar, daß es nur um Stolz ging. Als Jordain hatte er sein Leben der Entwicklung von Kraft in Geist und Körper gewidmet. Doch Logik hatte nur wenig Nutzen. Und Kraft? Matteo legte eine Hand an seinen Kiefer. Er schmerzte von dem Schlag, den Benns Abbild ihm verpasst hatte. Hier herrschte die Illusion. Die ruhige, pragmatische Gewißheit eines Jordain war hier so fehl am Platz wie Mystras weißes Gewand an einer Kneipenhure.
Leises spöttisches Gelächter drang scheinbar von allen Seiten gleichzeitig durch den Nebel. Matteo riß die Dolche heraus und wirbelte mal hierhin, mal dorthin, immer auf der Hut vor einem Angriff. Keine Finsteren Feen näherten sich ihm, und als er über das Geräusch nachdachte, kam er zu der Ansicht, daß die Stimmen mehr sterblicher als feenhafter Herkunft waren – und daß sie alle eine einzige Stimme waren. Das Gelächter stammte von einem jungen Mann, war tief und verächtlich.
Es traf ihn wie ein Schlag, als Matteo den Klang seiner eigenen Stimme erkannte. Seine körperlosen Gedanken hatten Flügel bekommen und verhöhnten ihn.
»Ruhige Gewißheit«, sagte Matteo und wiederholte verächtlich die Worte, die ihn beschrieben. Dies war wie alles andere Illusion. Seit fast einem Jahr, seit dem Tag, da Kiva in sein Leben getreten war und seine Weltsicht erschüttert hatte, trug er sich mit Zweifeln, was den Jordaini-Orden anging. Er taugte nicht für einen Jordain, egal, welche besänftigenden Lügen er sich selbst erzählte.
Im nächsten Augenblick kam Matteo eine Erleuchtung, die ein ganzes Jahr des inneren Tumults binnen eines Moments auf den Kopf stellte. Vielleicht war Gewißheit nicht der Lohn für Glauben, sondern das Gegenteil! Vielleicht hieß glauben, trotz aller Zweifel weiterzumachen. Das hatte er getan, und das würde er auch weiterhin tun. Seine Zweifel widerlegten seine Lebensaufgabe nicht, sie bestätigten sie.
Das Lachen verstummte. Matteo gestattet sich angesichts dieses kleinen Triumphs ein Lächeln. Dann ordnete er seine Gedanken und konzentrierte sich auf Tzigone. Wenn der Geist an diesem Ort solche Macht besaß, konnte er sie vielleicht durch bloße Willenskraft zu sich holen.
Fast wäre er über ihre zusammengekauerte Gestalt gestolpert. Mit einem Schrei der Erleichterung sank er zu Boden und nahm sie in seine Arme.
Der Jordain war nicht auf den Energieblitz vorbereitet, der ihn traf, doch irgendwie gelang es ihm, die junge Frau weiter festzuhalten. Das seltsame magische Aufwallen umgab sie beide, ließ ihre Haare knistern und brachte ihre Kleidung zum Schmoren. Die zerfetzten Überreste von Tzigones Schülerinnengewand waren geschwärzt und angesengt, doch schien sie unversehrt zu sein. Matteo dankte der Jordaini-Resistenz, die sie beide schützte.
Tzigones große braune Augen betrachteten Matteos Gesicht, schienen aber seine Präsenz nicht recht akzeptieren zu wollen. Sie wirkte benommen, und ihr Lächeln war nur ein geisterhafter Schemen ihres vertrauten, frechen Grinsens.
»Was dagegen, wenn ich rauche?« fragte sie und klopfte auf die kleinen Rauchschwaden, die aus ihrer Kleidung aufstiegen.
Vielleicht war es die bloße Überraschung, vielleicht auch die Spannung, die von der Umgebung ausging, doch Tzigones Bemerkung hatte für Matteo etwas wundervoll Absurdes. Er lachte vor lauter Freude, sie wiedergefunden zu haben.
Das schiefe Lächeln verschwand von Tzigones Gesicht. »Ich wußte es«, murmelte sie traurig. »Du bist eine Illusion. Der echte Matteo hatte weniger Humor als eine Schnecke.«
»Irgendwie kann mich das nicht beleidigen«, erwiderte Matteo und grinste weiter.
»Da sagst du etwas Wahres«, grollte Tzigone. »Göttin bewahre, ich hab’s versucht!«
»Ich bin es«,
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