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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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schon. Verdammt, aber erst heute abend spät oder morgen. Wir müssen uns erst an den Gedanken gewöhnen.« Tex unterdrückte ein Schaudern. »Als er mich angesehen hat, da war es mir gerade so, als – sehe er einen Aussätzigen an. Heiliger Bimbam, was hab ich bloß an mir? Ich sehe doch ganz normal aus, oder nicht?«
    Alle sahen Tex forschend an und versuchten zu entdecken, was der Offizier gesehen hatte. Aber sie sahen nur Tex, den Tex, den sie seit dreieinhalb Jahren kannten.
    »Ich finde, du siehst ganz normal aus«, erklärte Dino schließlich. »Wenn hier jemand eine Mißgeburt ist, dann ist er es. Mann, so bescheuert möchte ich sein, allein mit dem Fallschirm über Singapur abzuspringen. Mit all den lausigen Japsen ringsum. Nichts zu machen, Sir! Er ist der Blindgänger.«
    Der King ging an der Gefängnismauer entlang. Du bist doch ein blöder Hund, sagte er zu sich. Verdammt, was regst du dich bloß so auf? Auf der Welt ist alles in Ordnung. Natürlich. Und du bist nach wie vor der King. Du bist nach wie vor der einzige, der weiß, wie man zurechtkommt.
    Er rückte die Mütze in einen noch etwas keckeren Winkel und kicherte, als ihm Dino einfiel. Haha, der krumme Hund würde fluchen und sich fragen, ob er das Huhn tatsächlich bekommen würde, und dabei würde er genau wissen, daß er hereingelegt und durch einen Trick zum Arbeiten gebracht worden war. Zum Teufel mit ihm, soll er ruhig Angst ausstehen, dachte der King fröhlich.
    Zwischen zwei Baracken überquerte er den Weg. Rund um die Baracken standen Gruppen von Männern. Sie sahen alle schweigend und reglos nach Norden zum Tor hin. Er bog um eine andere Baracke und sah plötzlich den Offizier mit ihm zugekehrtem Rücken in einem Meer von Leere stehen und verwirrt um sich blicken. Er sah den Offizier auf einige Männer zugehen und lachte hämisch, als er sie zurückweichen sah.
    Verrückt, dachte er zynisch. Glatt verrückt. Was ist hier zum Fürchten? Der Kerl ist doch nur Hauptmann. Hm, bestimmt braucht er ein wenig Hilfe. Verdammt, aber was ihm solche Furcht einjagt, das kapiere ich nicht!
    Er beschleunigte den Schritt, aber seine Schritte machten kein Geräusch, »'n Morgen, Sir«, sagte er forsch und grüßte.
    Hauptmann Forsyth fuhr erschrocken herum. »Oh! Hallo.« Er erwiderte den Gruß mit einem Seufzer der Erleichterung. »Gott sei Dank, wenigstens ein Normaler hier.« Dann wurde ihm klar, was er gesagt hatte. »Oh, Entschuldigung. Ich wollte nicht …«
    »Schon gut«, unterbrach der King freundlich. »Dieser Scheißhaufen reicht aus, einen um den Verstand zu bringen. Mensch, was sind wir froh, Sie zu sehen. Willkommen in Changi!«
    Forsyth lächelte. Er war viel kleiner als der King, aber wie ein Panzer gebaut. »Danke. Ich bin Hauptmann Forsyth. Ich bin geschickt worden, um mich um das Lager zu kümmern, bis die Flotte ankommt.«
    »Wann ist das?«
    »In sechs Tagen.«
    »Schaffen sie es nicht früher?«
    »Das braucht seine Zeit.« Forsyth nickte zu den Baracken hin. »Was ist hier los? Sie tun, als wäre ich ein Aussätziger.«
    Der King zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich haben sie einen Schock. Sie trauen ihren Augen noch nicht. Sie wissen ja, wie manche Leute sind. Und es ist eine lange Zeit gewesen.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Forsyth langsam.
    »Verrückt, daß sie sich vor Ihnen fürchten.« Der King zuckte wieder die Achseln. »Aber so ist nun mal das Leben.«
    »Sie sind Amerikaner?«
    »Klar. Wir sind fünfundzwanzig. Offiziere und Soldaten. Hauptmann Brough ist unser rangältester Offizier. Er wurde auf einem Einsatz über dem Himalaya abgeknallt. Vielleicht möchten Sie ihn kennenlernen?«
    »Selbstverständlich.« Forsyth war todmüde. Vor vier Tagen hatte man ihm in Burma diesen Auftrag erteilt. Das Warten und der Flug und der Absprung und der Marsch zum Wachhaus und die Sorge, wen er vorfinden würde und was die Japaner tun würden und wie, zum Teufel, er seinen Auftrag ausführen sollte, all diese Dinge hatten ihm den Schlaf geraubt und Schrecken in seine Träume getragen. Na, alter Knabe, du hast um den Auftrag gebeten, und du hast ihn bekommen, und da bist du nun. Du hast wenigstens die erste Probe oben am Haupttor bestanden. Verdammter Idiot, beschimpfte er sich selbst, du warst so versteinert, daß du nur brüllen konntest: ›Grüßt, ihr verdammten Hunde.‹
    Von da, wo er stand, konnte Forsyth Männerknäuel sehen, die ihn aus den Baracken und aus den Fenstern und Türen und aus den Schatten heraus anstarrten.

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