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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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Gefühle
     

Molinaseca
     
    „Es
gibt ein ehernes Gesetz für alle Hospitaleros — männlich wie weiblich — und das
lautet: sich niemals mit Pilgern einlassen“, sagte Alfredo eines Tages streng.
Ich arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile in Molinaseca und kannte ihn
längst gut genug, um trotz der ernsten Miene das Zwinkern in seinen
Augenwinkeln zu bemerken. Wir waren gerade dabei, die Albergue sauber zu
machen, eine Aufgabe, bei der Alfredo unbedingt auf Arbeitsteilung bestand.
    „Die
freiwilligen Hospitaleros dürfen nicht als billige Putzkräfte missbraucht
werden“, lautete seine Maxime, die er mir gleich zu Beginn meines Einsatzes
mitgeteilt hatte. „Nach meinem Verständnis sind auch sie Pilger, obschon auf
eine andere Art. Deshalb sollten sie in ihrer Hospitalero-Zeit mehr vom Camino
haben als nur sauber machen.“
    Eine
sympathische Einstellung, fand ich, und so erledigten wir die Arbeit gemeinsam,
wobei Alfredo netterweise den unangenehmsten Job, das Putzen der Toiletten und
Duschen, für sich beanspruchte. Der Schlafsaal im Obergeschoss war mein
Bereich, den Aufenthaltsraum unten teilten wir uns, und während wir aufeinander zuputzten , nutzten wir gern die Gelegenheit, dies und
das zu besprechen.
    Der
Anlass für Alfredos Verweis auf das so genannte eherne Gesetz für Hospitaleros
hieß Ricardo.
    Ich
hatte ihn bereits in Azofra kennen gelernt, wo er eines Abends im Türrahmen
stand: ein überaus gut aussehender Mann mit attraktiven Silberfäden in den
langen dunklen Locken, richtige Größe, richtiges Alter und dazu auch noch
Brasilianer. Damit es nicht zu viel des Guten wurde, war er allerdings kein
Großgrundbesitzer, aber darüber ließ sich ja großzügig hinwegsehen. Vom
brasilianischen Hospitalero der Albergue in Ventosa war uns telefonisch ein
Landsmann angekündigt und beschrieben worden, weshalb ich ihn „Hallo, du musst
Ricardo sein.“ begrüßte.
    „Wie
kommst du denn darauf?“, wunderte er sich.
    „Du
siehst einfach so aus.“
    Er
lachte, ich auch, wir sahen uns an und wussten, dass jeder dem anderen mehr als
sympathisch war. Später lud Ricardo mich zum Essen bei Begoña ein und beschied
Rolands obligatorische Frage „Hast du Latifundien in Brasilien?“ schlagfertig
mit „Aber selbstverständlich.“
    Bis
weit nach Mitternacht hatten wir zusammengesessen, erzählt und eine Reihe von
Gemeinsamkeiten entdeckt. Ricardo war Journalist wie ich, aß ebenfalls
vegetarisch, und interessierte sich, genau wie ich, sehr für Spiritualität,
hatte eine Menge Bücher gelesen, die ich zum Teil auch kannte. Allerdings — und
das war der springende Punkt — er war nicht wie mein brasilianischer Phantasie- Latifundista verwitwet, sondern überaus verheiratet und
zwar glücklich. Sagte er zumindest — was ihn aber keineswegs daran hinderte,
mir Avancen zu machen.
    Wie
auch immer, in Azofra war es jedenfalls bei einem heftigen, jugendfreien Flirt
geblieben, mit Küsschen rechts und links zum Abschied — und der Perspektive,
dass wir uns vielleicht in Molinaseca wiedersähen.
    Seine
Ankunft dort gestaltete er wie einen Bühnenauftritt. Schon Tage vorher ließ er
mir von anderen Pilgern Grüße ausrichten und sagen, dass er bald käme. Als er
dann eines Abends vor mir stand — sonnenbrauner als vorher, ein bisschen
verwilderter, was ihm gut stand — tat er allerdings, als müsse sein Erscheinen
etwas unglaublich Überraschendes für mich sein und als sei er seinerseits
völlig unschlüssig, ob er diese Nacht überhaupt in Molinaseca bleiben wollte.
Alles pures Theater, natürlich blieb er da. Wir gingen zusammen essen und
nachdem der letzte Teller abgetragen war, senkte Ricardo seine Hand in mein
Haar, zog meinen Kopf zu sich und küsste mich, dass mir hören und sehen
verging. „Ich möchte Liebe mit dir machen“, murmelte er zwischen zwei atemlosen
Küssen.
    „Aber
nicht in diesem Restaurant!“, suchte ich Zeit zu gewinnen.
    „Unter
dem Tisch vielleicht?“, spielte er amüsiert den Ball zurück.
    Er
küsste mich weiter und wilder — wahrscheinlich würde ich mich in diesem Lokal
nie mehr blicken lassen können. Irgendwie schafften wir es, einigermaßen
gesetzt auf die Straße zu gelangen und auf dem durch leidenschaftliche Küsse in
endlose Länge gezogenen Heimweg, eröffnete ich ihm, dass er sich das Liebe machen aus dem Kopf schlagen könne.
    „Es
gibt zwei Möglichkeiten, wie das Ganze sein könnte“, setzte ich ihm unglaublich
vernünftig auseinander. „Entweder

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