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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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revanchieren. Obwohl
Vegetarierin aß ich sie mit Todesverachtung, weil ich ihn nicht kränken wollte,
indem ich das wenige, was er mir anbieten konnte, ablehnte.
    Während wir zusammen aßen,
erzählte er ein bisschen von sich. Er stammte aus dem Baskenland, lebte aber in
Barcelona, weil er in seiner Heimat keine Arbeit gefunden hatte.
    „Ich bin Kellner und da war es
für mich an der Küste natürlich besser. Doch vor ein paar Monaten hat das
Restaurant, in dem ich beschäftigt war, zugemacht“, seufzte er und schüttelte
den Kopf. „Ich bin nicht mehr der Jüngste und bis jetzt konnte ich einfach
keine neue Arbeit finden.“
    „Und warum bist du in dieser
Situation auf den Camino gegangen?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort im
Grunde wusste.
    „Ich dachte, der Camino würde
mir Kraft geben, damit ich den Mut nicht verliere, wenn ich noch lange suchen
muss.“ Wie seltsam, dachte ich. Da saßen wir und teilten nicht nur den Pisto , sondern hatten auch eine ganz ähnliche
Lebenssituation — beide in mittleren Jahren, er arbeitslos, ich auf unsicherem
Posten — und beide hegten wir die unbestimmte Hoffnung, dass die Magie des
Camino die Dinge zum Besseren wenden würde.
    „Viel Glück“, wünschte ich ihm
zum Abschied, „für deinen weiteren Camino und überhaupt.“
    „Genau das wünsche ich dir
auch.“
    Am Dia de Santiago , dem
Tag des Heiligen Jakobus am 25. Juli, gab es von offizieller Seite keinerlei
Einwände dagegen, die Pilger in der Herberge zu bewirten und dafür die Küche zu
nutzen — im Gegenteil.
    „Die Gemeinde sagt, wir können
machen, was wir wollen, sie zahlen“, verkündete Laura nach einem entsprechenden
Vorstoß frohgemut und deutete mir mit einer Kopfbewegung an, mitzukommen.
    In ihrem bevorzugten
Tante-Emma-Laden des Ortes starteten wir den Großeinkauf — Schinken, Wurst,
Käse, Brot, Melonen, Cornichons, Silberzwiebeln, Oliven, Nüsse, Chips, Getränke
und was weiß ich noch alles in riesigen Mengen. José Ramon musste uns mit
seinem Auto helfen, die Sachen in die Herberge zu transportieren.
    Zusammen mit einigen Pilgern,
die Laura von früher kannte, verzogen wir uns in die große Küche und machten
Partyschnittchen, mehrfach belegt und reich verziert, schichteten sie auf von
Ana ausgeliehene Platten. Im Patio schoben wir die Tische zu einer langen Reihe
zusammen und beluden sie mit allem, was wir gekauft und mundgerecht zubereitet
hatten. Nach und nach kamen die Pilger aus ihren Quartieren und beäugten das
Geschehen. Dabei muteten sie auf drollige Weise ein wenig wie scheue Wildtiere
an, die nicht so recht wissen, ob das Futter, welches da im winterlichen Wald
abgeladen wird, tatsächlich für sie bestimmt ist. Auf wundersame Weise, als sei
es so verabredet worden, befand sich ein Priester unter den Pilgern. Laura bat
ihn, einen Segen zu sprechen und alle einzuladen, den Santiago-Tag gemeinsam zu
feiern. Es wurde ein schönes Fest, das sich bis weit nach Mitternacht hinzog,
und ich glaube, das lag nicht allein daran, dass wir alle kostenlos üppig
bewirteten, weniger hätte es vermutlich auch getan. Mir schien vielmehr, als
würde durch das gemeinschaftliche Fest, ausgerufen aus Anlass des Tages des
Heiligen Jakobus, einer Reihe von Herbergsgästen erst richtig klar, dass sie
sich eben nicht auf einer simplen Wandertour, sondern auf einer Pilgerreise
befanden.
    „Wie viele Pilger sind wohl
tatsächlich aus religiösen Gründen unterwegs, also richtig auf christlicher
Pilgerfahrt — was meinst du?“, fragte ich Laura ein paar Tage später, während
wir gemütlich in einer Cafeteria saßen. Das empfand ich als höchst angenehm in
Mansilla — weil wir in der Herberge ein Vierer-Team waren, konnten wir uns in
ruhigeren Phasen allein oder paarweise öfters eine Auszeit gönnen.
    Laura blähte die Backen. „Puh.
Das ist sehr schwer zu sagen. Jeder Spanier wird dir   natürlich sagen, er macht das aus
Glaubensgründen, selbst wenn es nicht so ist. Ich persönlich würde sagen, es
sind nicht sehr viele — und es werden immer weniger.“
    „Dafür betrachten aber doch
eine Menge den Weg als eine Art spirituelle Suche“, meinte ich, eingedenk der
zahlreichen Shirley MacLaine- und Paulo Coelho-Leser auf dem Camino. „Ach“,
seufzte Laura, „ich weiß nicht recht. Manchmal denke ich, das ist nur
aufgesetzt. Schau, ich bin jetzt seit sieben Jahren Hospitalera und in diesen
Jahren hat sich unheimlich viel geändert. Du musst dir nachher in der Herberge
nur mal die

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