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Raum in der Herberge

Raum in der Herberge

Titel: Raum in der Herberge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klose
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den angebotenen Extras wie etwa
Frühstück ab.
    So
weit, so gut — und weil vor Gott und dem Camino alle Menschen gleich sind, gibt
es strenge Regeln, damit diese Gleichheit in der Praxis gewährleistet ist. Als
Pilgerin fand ich diese Vorschriften gelegentlich etwas nervig, später als
Hospitalera sollte ich beim Umgang mit schwierigen Zeitgenossen froh sein,
darauf verweisen zu können.
    Wie
gesagt, nur wer einen Pilgerausweis hat, darf in Pilgerherbergen übernachten
und zwar in jeder Unterkunft nur jeweils eine Nacht. Pilgern heißt schließlich
in Bewegung sein. Lediglich Krankheit und höhere Gewalt berechtigen zu einer
zweiten Übernachtung in derselben Herberge. Abends ab zehn oder elf Uhr ist
Nachtruhe angesagt und morgens, gegen acht, halb neun, müssen sämtliche Pilger
die Herberge verlassen und weiterziehen.
    Mittags,
oft auch erst am Nachmittag, wird die Unterkunft wieder geöffnet und die
vorhandenen Betten nach der Reihenfolge des Eintreffens belegt. Reservieren ist
nicht möglich und Plätze für nachfolgende Pilger freizuhalten unzulässig.
Grundsätzlich werden zuerst die Pilger untergebracht, die zu Fuß unterwegs
sind. Wer den Camino mit dem Fahrrad oder Pferd macht, muss bis abends warten,
ob noch etwas frei geblieben ist. Wanderer mit Begleitauto sind in den
Herbergen nicht sonderlich gern gesehen und haben höchstens dann eine Chance
auf Unterbringung, wenn abends spät noch viele Betten unbelegt sind. Das ist
aber vor allem in den Sommermonaten so gut wie nie der Fall.
    Da
man nicht reservieren kann, hat die Sorge, am nächsten Etappenziel auch
wirklich einen Platz in der Herberge zu finden, vor allem in der Hauptsaison zu
einer kuriosen Unsitte geführt. Zahlreiche Pilger brechen morgens in aller
Herrgottsfrüh, vielfach schon lange vor Sonnenaufgang, auf und gehen weite
Strecken im Dunkeln, um nur ja am angestrebten Ort unterzukommen. Oft haben sie
schon gegen elf Uhr ihr Etappenziel erreicht, sitzen vor der geschlossenen
Herberge neben ihren Rucksäcken auf der Straße und warten, bis sich die Pforten
öffnen. Die Nachmittage nutzen diese Nachtmarschierer meist weniger, um sich
den Ort mit seinen Kirchen und Bauwerken anzusehen, als vielmehr müde in den
hart erkämpften Betten Siesta zu halten, damit sie am nächsten Morgen wieder
abenteuerlich früh aufbrechen können.
    Es
dauerte eine Weile, bis ich dahinter kam, dass das Argument, die Mittagshitze
umgehen zu wollen, bei den Frühaufstehern oft nur vorgeschoben war, sondern es
ihnen vor allem um die sichere Unterkunft ging. Ich empfand diesen Betten-Wettlauf
eines Pilgers unwürdig, schließlich sollte man sich auf dem Jakobsweg Zeit zur
Besinnung nehmen. Außerdem hatte ich mittlerweile erkannt, dass Demut und
Dankbarkeit zwei wichtige Lernziele des Camino sind — Demut, auch Unangenehmes
hinzunehmen und sich gegebenenfalls nach der Decke zu strecken, sprich: auf
einer Matte am Boden zu schlafen — Dankbarkeit für alles unerwartete Gute, das
man erfährt.
    Also
beschloss ich, meine Etappenziele nicht von vornherein festzulegen, mir keine
Sorgen zu machen, wo ich abends ankommen und ob ich dort ein Bett finden würde.
    Ich
ließ mir morgens Zeit, blieb in der Herberge, solange es erlaubt war, suchte
mir dann im Ort eine Bar, wo ich frühstücken konnte. Wenn ich anschließend
losmarschierte, schien die Sonne zwar schon längst, doch es war noch eine Weile
morgenkühl. Gegen Mittag machte ich irgendwo — meist in den Orten, wo vor den
Herbergen bereits Warteschlangen saßen — eine ausgedehnte Pause, aß etwas, ließ
die Hitze verstreichen, um am Spätnachmittag noch so viele Kilometer weiter zu
gehen, wie ich Lust hatte. Obwohl ich im August, der absoluten Hochsaison,
unterwegs war, bekam ich fast immer ein Herbergsbett.
    Insgesamt
habe ich, die ursprünglich generell in Pensionen übernachten wollte, dies nur
vier Mal tatsächlich getan — drei Mal, weil die jeweilige Herberge überfüllt
war und ich deshalb zusammen mit anderen Pilgern auf Mehrbett-Zimmer in
Gasthöfen auswich, und einmal, weil ich kränklich war und darum Privatsphäre
haben wollte. Aber obwohl schwach auf den Beinen, verließ ich an jenem Abend
mein Hotelzimmer und machte mich auf die Suche nach der Albergue, um zu
schauen, wer von meiner „Pilgerfamilie“ dort angekommen war, um mit ihnen zu
plaudern.
    Die
Herbergen entlang des Camino sind von Größe und Ausstattung her höchst
unterschiedlich und ob eine Unterkunft von den Pilgern als angenehm

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