Raumschiff der Generationen
Abstimmung brachte sieben zu zwei Stimmen, bei einer Enthaltung, für die Einholung der Sonde.
Hansen erteilte der Elektronik den Befehl, die entsprechenden Arbeitsteams zusammenzustellen. Dann verließen er und Barbaroff die AN, um sich in ihr Labor zu begeben.
Es war sechs Stunden, nachdem sie die Sonde in die durch Kraftfelder abgeriegelte Schleusenkammer geholt hatten. Birger Hansen starrte aus überanstrengten Augen immer wieder auf die Formelreihen auf den Monitoren.
Es war zum Verzweifeln. Bis jetzt waren sie noch nicht einen Schritt weitergekommen. Die Fernanalyse war voll und ganz bestätigt worden. Das fremde Ding war nichts weiter als ein unregelmäßiges Gespinst mikrofeiner Kunststoffröhrchen, in denen sich Flüssigkeiten befanden, die von einem Heizgerät auf einer bestimmten Temperatur gehalten wurden.
Die Untersuchung der Flüssigkeiten hatte ergeben, daß es sich in der Hauptsache um flüssiges Ammoniak und Wasser handelte. Die Flüssigkeitsspanne lag bei Ammoniak zwischen –78 und –33 Grad Celsius, bei Wasser zwischen plus minus Null und plus 100 Grad Celsius. Dieser Umstand hatte erklärt, warum das Heizaggregat zwei konstante Temperaturen innerhalb der Sonde aufrechthielt, nämlich –45,8 Grad und +22,6 Grad Celsius. Dadurch wurde der flüssige Aggregatzustand beider Stoffe gesichert.
Zum wer weiß wievielten Male betrachtete Birger das graphische Strukturbild des Mikroraumflugkörpers. Man hatte die wasserhaltigen Röhrchen blau, die ammoniakhaltigen rot markiert. Die zahlreichen Querverbindungen, die auch noch von kugelförmigen und ellipsoiden Verdickungen unterbrochen waren, vereitelten durch ihre wechselnd blaue und rote Färbung den Versuch, irgendein System im Aufbau der Sonde zu erkennen. Der Wissenschaftler versuchte, sich die Querverbindungen wegzudenken. Schließlich gab er dem Computer den Befehl, ein Strukturbild ohne Querverbindungen zu erstellen.
Als es Sekunden später auf dem Schirm flimmerte, erkannte Birger mit einem Blick, daß ein System vorhanden war. Die Sonde bestand genaugenommen aus zwei Teilen: einem wasserhaltigen und einem ammoniakhaltigen!
In diesem Augenblick hatte Birger Hansen sein »Aha-Erlebnis«. Es wird niemals festzustellen sein, ob der Gedankenblitz des Menschenhirns oder die Assoziationsreihe der Elektronik zuerst dagewesen war. Jedenfalls fiel im nächsten Augenblick eine Folie in die Ausgabeschale. Und als der Mann sie las, blitzte in seinen Augen der Triumph. Die Symbole des Computers bestätigten, daß er, Birger, auf dem richtigen Wege war.
Birger Hansen schwang in seinem Sessel herum.
»Sol«, sagte er zu seinem Assistenten, der mit der Analyse der in den Flüssigkeiten gelösten Substanzen beschäftigt war. »Sol …«
Etwas in der Stimme seines Chefs, eine gewisse unterdrückte Erregung, ließ den jungen Mann sich umwenden. »Ja …?«
»Sie sind zwar kein Biogenetiker, aber auch als Mikrobiologe dürfte Ihnen die Publikation G. Scheffels’ über ›Extraterrestrische Biopolymere‹ geläufig sein.«
Sol Jelinek nickte zögernd: »Ist das nicht die Fachschrift, in der die Behauptung aufgestellt wurde, es gäbe im Kosmos nur Wasser- und Ammoniakwesen?«
Birger schüttelte den Kopf:
»Nicht Wasser- und Ammoniakwesen, sondern Lebewesen, deren Biosolvens entweder Wasser oder Ammoniak sein müßte. Und zwar stützt Scheffels seine These auf verschiedene Tatsachen, die für die Entstehung von Leben Voraussetzung sein müssen.
Die Behauptung des berühmten Biogenetikers, Wasser und Ammoniak seien die einzigen Lösungsmittel im Universum, konnte, wie Sie selbst wissen, niemals nachgeprüft werden, einfach, weil der Mensch bisher noch nie auf fremdes Leben gestoßen ist. Ob man aber nun an seine These glaubt oder nicht, daß Ammoniak nach Wasser das weitaus günstigste Biosolvens ist, kann man nicht abstreiten. Nun sehen Sie sich einmal das Strukturbild an! Kommt Ihnen dabei kein Gedanke?«
Jelinek kam mit seinem Sessel herübergerollt und betrachtete das Abbild der Sonde, an der noch immer die Querverbindungen fehlten.
»Zur Hälfte Ammoniak, zur Hälfte Wasser …«, sagte der junge Mann langsam. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen …«
»Die Sonde, Jelinek«, sagte Birger, »ist zweigeteilt. Der eine Teil, das Wasser, symbolisiert uns das menschliche Leben, der andere Teil, das Ammoniak, symbolisiert das fremde Leben, ein Leben nämlich, dessen Biosolvens eben Ammoniak ist! Verstehen Sie,
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