Rausch der Unterwerfung
seinen Bart, dann wies er einladend auf eine schattige Sitzgruppe. „Setzt eusch doch. Was darf isch eusch anbieten?“
„Wasser.“
Sie nahmen an dem runden Tisch Platz, und Jean-Pierre wandte sich zum Haus.
„Ein Glas Rotwein, ma chère, und gesegnetes agua für unsere Gäste.“
Wenig später erschien eine gertenschlanke Blondine im knapp bemessenen Outfit eines Serviermädchens. Sie trug ein Tablett vor sich her, stellte die Gläser auf den Tisch und knickste. Anne bemerkte, dass sie um den Hals eine Kette aus mehreren Strängen glänzender Edelstahlglieder trug. Sie lächelte. So verschieden wie Miguel und Jean-Pierre erschienen, waren sie wohl doch nicht.
Ihr Gastgeber griff nach seinem Weinglas und schnupperte genießerisch am Bukett.
„Hm, wie bedauerlisch, dass ihr diesen guten Tropfen nischt mit mir teilen wollt, aber ihr habt heute Abend noch was vor, oder?“
„Natürlich“, antwortete Miguel und griff nach seinem Wasser. Jean-Pierre richtete seinen Blick wieder auf Anne.
„Ein rotes Mädschen … Eine Rose? Nein, warte … Paprika!“
Miguel lachte. „Feuer!“
„Oh! Aber isch war nah dran!“ Er nippte an seinem Glas und stellte es auf den Tisch zurück. „Und wie macht sie sisch?“
„Bisher ganz gut“, antwortete Miguel, doch seine Stimme klang düster, als er fortfuhr: „Wenn man davon absieht, dass sie schon versucht hat, mich zu toppen.“
Jean-Pierre zog ein enttäuschtes Gesicht. „Diese Mädschen! Erst krieschen sie feucht und willig auf dem Boden herum, und dann wollen sie plötzlisch die Regeln ändern. Aber … irgendwann versuchen sie es alle einmal. Und dir wird sischer etwas einfallen, um das in Zukunft zu unterbinden.“
Anne zuckte zusammen. Das war es! Plötzlich wusste sie, warum Miguel verärgert war. Und zu Recht! Sie hatte sich dazu hinreißen lassen, aus der Rolle auszubrechen, die sie spielte, hatte versucht, ihn zu dominieren, die Kontrolle zu übernehmen. Sie erinnerte sich sehr gut, dass sie Triumph empfunden hatte, das Gefühl einer Siegerin. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
„Ich müsste mal …“, sagte sie leise zu Miguel.
Er nickte nur, ohne sie anzusehen.
Jean-Pierre wies mit dem Daumen über seine Schulter zum Haus. „Eine Treppe hoch, die erste Tür links.“
Anne nickte ihm einen Dank zu und stand auf.
Im Haus war es angenehm kühl. Im Gegensatz zu Miguel wusste der Hausherr offenbar eine Klimaanlage zu schätzen. Anne stieg die gewundene Treppe hinauf und gelangte in ein Badezimmer, das ihr zunächst den Atem verschlug, denn es wirkte im ersten Moment wie der reinste Urwald. Limonengrüne Wandfliesen reichten bis zur Decke, und auf dem Boden, dem Wannenrand und dem Sims, der sich in halber Höhe um den ganzen Raum herumzog, standen unzählige Pflanzen. Die Badkeramik war hellbraun, die Armaturen aus Messing. Noch nie hatte Anne ein so ungewöhnliches Badezimmer gesehen. Die Utensilien auf den Ablagen waren allesamt for woman . Auch in dem kleinen Spiegelschrank, den Anne neugierig öffnete, befand sich weder ein Aftershave noch etwas anderes, was darauf hindeutete, dass ein Mann diesen Raum benutzte. Ganz offensichtlich war das hier das Reich der Blondine im Serviermädchenkostüm.
Nachdem sie sich die Hände gewaschen hatte, trat Anne wieder auf den kleinen Flur mit der abwärts führenden Treppe und blieb überrascht stehen.
An der Wand ihr gegenüber, in einem schlichten, schwarzen Holzrahmen, hing eine große Fotografie, in der sie sofort Miguels Handschrift erkannte. Es war die Ablichtung einer blonden Frau, die kopfüber mit einem Fuß am Ast eines knorrigen Baumes hing, der mitten in einem grünen Teich zu stehen schien. Ihr langes Haar war feucht und tauchte mit den Spitzen im Wasser ein. Zwischen den Strängen und Verknotungen des schwarzen Seils, das ihre Hände auf dem Rücken bannte, rankte sich kleinblättriger Efeu, was den Eindruck erweckte, dass sie schon seit Ewigkeiten dort hing.
„Ich bin Wasser … und grün.“
Anne wandte sich zur Seite. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass die Blonde neben sie getreten war.
„Aber du kannst auch Caro zu mir sagen“, fuhr diese fort. „Carolin eigentlich, aber Caro genügt.“
„Anne.“
„Ja, ich weiß.“ Carolin lächelte.
Anne wandte sich ab und betrachtete erneut die Fotografie an der Wand. „Kennst du noch andere?“
„Ein paar. Vor drei Monaten war er mit Nachtblau hier, davor mit Lila Lack, die war ziemlich verrückt, aber die konnte
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