Rausch der Unterwerfung
Seile. Ihr freier Fuß, der nur noch mit dem Ballen den Boden berührte, fand kaum noch Halt.
Das Safeword, Anne, sag es!
Bis zum Knie band er sie an der Stange fest, dann verfuhr er genau so mit ihrem anderen Bein. Nun wusste sie, weshalb die beiden Stäbe so dicht beieinander standen, sie hatte sich schon darüber gewundert. Eine weitere Spreizung ihrer Beine wäre ihr in dieser Haltung kaum möglich gewesen, der letzte Rest ihrer Bewegungsfreiheit war dahin.
Sie gehörte ihm. Er machte Gebrauch von ihr, so wie es ihm gefiel. Das war seine Forderung, aber auch sein Geschenk, Pandoras unheimliche Büchse, die, der Mythologie zufolge, neben Untugend und Leid nur die Hoffnung enthielt. Und Anne hatte sie geöffnet. Schon kurz nach dem ersten „Hallo“ im Chatroom, als sie ihm gestattet hatte, die Kontrolle zu übernehmen. Stück für Stück hatte er sie an sich gerissen, und sie hatte es genossen … bis zu diesem Punkt.
Annes leicht nach vorn gewölbter Körper spannte sich. Nur ihre Arme und Unterschenkel hatten eine Fesselung erhalten, der Rest ihres Leibs war vollkommen unbedeckt. Plötzlich lachte sie unterdrückt, was einen erstaunten Blick zur Folge hatte.
„Ich fühle mich nackt.“
Als Miguel den Kopf schüttelte, lächelte sie, doch dann griff er nach dem Stock mit der Wattespitze und fuhr damit wie mit einem Pinsel über ihren Körper.
„Du bekommst gleich ein schönes Kleid“, sagte er, als wäre es ein Geschenk, und in seinen Augen lag ein vergnügtes Funkeln. Annes Lächeln verschwand. Nervös begann sie, auf ihrer Unterlippe zu kauen, vor allem als er den Kanister öffnete und seinen Inhalt in ein kleines Plastikgefäß plätschern ließ.
Er ging noch einmal zur Kamera und überprüfte die Einstellungen, dann zog er eine Fernbedienung aus seiner Tasche und betätigte sie. Es zirpte leise, worauf er zufrieden nickte. Mit Pinsel und Plastikbecher kehrte er zu Anne zurück.
„Dreh den Kopf zur Seite. Nicht die Dämpfe einatmen“, sagte er, während er die Wattespitze in die Flüssigkeit tauchte.
Sie schaute ihn unverwandt an.
„Ihr passt auf mich auf, nicht wahr?“, wisperte sie zittrig.
„Was denkst du denn, warum ich eine Fernbedienung habe? Ich bleibe direkt neben dir.“
„Ich …“
„Ja?“
„Ich möchte es“, flüsterte sie. „Ich möchte Feuer sein … für Euch.“
Sie hörte, wie er den Stab in seinen Händen auf dem Rand des Bechers abklopfte.
„Dein Kopf!“
Langsam wandte sie sich ab und starrte in die Dämmerung, die sich unaufhörlich verfinsterte, während sie kühle Feuchtigkeit auf ihrem Körper spürte.
Miguel arbeitete konzentriert, aber sehr zügig.
„Das sind Bondage-Seile“, fuhr es ihr durch den Kopf, nachdem sie den Spuren des Wattepinsels eine Weile gefolgt war. „Mein Brautkleid.“
„Wenn ich fertig bin, geht es sofort los, sonst verdunstet zu viel“, erklärte er, und Anne nickte.
„Du wirst die Augen schließen … nicht atmen … und stillhalten.“
Wieder Nicken.
Als er die ersten Spuren noch einmal nachzog, spannte sich ihr Körper von Neuem. Sie griff die Seile in ihren Händen fester, sog Luft in ihre Lungen und schloss die Augen.
„Kopf nach vorn!“
Es fauchte leise. Durch ihre geschlossenen Lider sah Anne, wie die Flammen aufloderten, und sie spürte im selben Moment ihre Hitze. Die Angst, die sie kurz zuvor noch eisern unterdrückt hatte, schoss wie ein Stromschlag durch ihren Körper, ließ jeden Muskel krampfartig erstarren.
Das war nicht die Wärme des Feuers, das sie vor einigen Stunden lange in ihren Händen gehalten hatte, bevor es zubiss. Diesmal war es ein Raubtier, das sie anfiel, und sie hatte keine Möglichkeit, es zu kontrollieren, keine Chance, ihm zu entfliehen.
„Ich verbrenne!“, schrie es in ihrem Inneren auf. „Ich verbrenne bei lebendigem Leib!“
Blankes Entsetzen floss über sie hinweg, als würde sie in glühende Lava getaucht, brannte sich ein, erstickte sie.
Wie um alles in der Welt hatte sie sich darauf einlassen können? Wie hatte Miguel sie dazu gebracht? Er kontrollierte sie vollkommen, und sie hatte es zugelassen, hatte es gewollt.
Anne riss an den Seilen, als der Schmerz die Grenze des Erträglichen überschritt. Wie spitze Zähne wüteten die Flammen auf ihrer Haut, unbarmherzig und gierig, mit dem einzigen Ziel, sie zu vernichten. Das Lodern hörte nicht auf.
Wo war er? Er hatte versprochen, auf sie aufzupassen, sie hatte ihm vertraut. Das Safeword zuckte durch ihre sich
Weitere Kostenlose Bücher