Rebecca
und stieg über den Zaun. Dann arbeitete ich mich geräuschlos durch die Sträucher, bis das Wohnmobil links von mir lag und ich die Weide dahinter überblicken konnte. Dort blieb ich stehen, in erster Linie um sicherzugehen, dass sich meine Klientin keine Schwierigkeiten aufhalste.
Ein Moped durchbrach knatternd die Stille und ich hockte mich hinter einen Baumstamm, bis es vorbeigerast war. Nachdem der Höllenlärm verstummt war, hörte ich Frauenstimmen. Ich duckte mich und verhielt mich still. Sie waren fünf Meter von mir entfernt. Ich spähte zwischen den Blättern hindurch. Zwei Frauen in Sommerkleidern. »Ich kann dir nicht helfen«, sagte die eine. »Wenn ich dir jetzt etwas Falsches rate, wirfst du mir später vor …« Sie schwieg, als ihr Hund anfing zu bellen. Ich hatte ihn nicht bemerkt, ein kurzhaariges kleines, weißes Monster, das wild an seiner Leine zerrte und mein Versteck ankläffte. Ich hielt den Atem an. Der Hund des Nachbarn hatte mir das Leben oder zumindest das Augenlicht gerettet. Wenn es nach diesem Exemplar ginge, würde es so lange bellen, bis Dennis auf den Lärm hin angelaufen kam.
Zu meinem Glück ärgerte sich die Frau nur über die Unterbrechung und riss so fest an der Leine, dass das Vieh aufhörte zu bellen und nur noch ein hohes Jaulen von sich gab. »Tütü, hör jetzt auf!« Ich sah das kleine, offene Maul und die wütenden Augen, die auf mich gerichtet blieben, während Frauchen Tütü wegschleifte. »Aber nein, ich bin dir bestimmt später nicht böse, an wen soll ich mich denn sonst wenden?«, sagte die andere Frau.
Sie spazierten davon und ich atmete auf. Kurze Zeit darauf kamen Dennis und Rebecca zum Vorschein. Sie waren zu weit weg, als dass ich sie hätte verstehen können, aber Rebecca blieb stehen und schüttelte den Kopf. Dennis sagte etwas, aber sie lächelte ihn nur an und entfernte sich mit energischen Schritten. Dennis schaute ihr einen Augenblick nach, bevor er sich mit einer ungeduldigen Geste umdrehte und auf sein Wohnmobil zuging.
Der Rest war vorhersehbar und ich hätte eigentlich nicht bleiben müssen. Dennis holte einen Schlüssel aus der Hosentasche und steckte ihn in die Schiebetür. Ich sah sein wütendes Profil, glattes Haar, eine honigblonde Augenbraue und das Glitzern eines winzigen Kristalls oder Diamanten in seinem Ohr. Das Wohnmobil federte, als er einstieg, und ich bildete mir ein, das Fenster mit einem Seufzer in die Tür fallen zu hören.
Die Damen hatten den Friedhof bereits erreicht, als ich über den Graben sprang. Gemächlich schlenderte ich hinter ihnen her. Sie schauten sich nicht einmal um, und ihr Hund genauso wenig.
Später saß ich bei einem Glas Cognac auf der Terrasse, schaute in die Nacht hinein und dachte über die vielen ungelösten Fragen nach. Das Wort Lösung spukte mir durch den Kopf. Wie er es gemacht hatte, konnte ich mir durchaus vorstellen, aber warum, das war mir schleierhaft. Nachdem ich eine Stunde am Computer recherchiert hatte, wusste ich allerdings, dass alles, was Dennis den Welmoeds an Geschichten aufgetischt hatte, erstunken und erlogen war.
Er war nicht bei Pflegeeltern, sondern bei Adoptiveltern aufgewachsen, die ihm einen neuen Namen gegeben hatten.
Von ihnen stammte auch das Erbe, und nicht von irgendeiner Tante, die ihn zwar nicht großziehen konnte, aber vielleicht noch lebte, und die ihm Karten schickte, wenn sie Urlaub im Ausland machte. Tante F. Sie klang ziemlich herrisch. Sie nannte ihn Douwe Barends, weil das der Name war, den er bei seiner Geburt erhalten hatte. Er hatte ein Postfach unter diesem Namen in Udenhout, wahrscheinlich ausschließlich für die Post von seiner Tante, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihn noch viele andere Leute als Douwe Barends kannten. Vielleicht hatte er in Udenhout tatsächlich bei einem Bauern gearbeitet.
Douwe Barends war am 12.10.1979 in Den Bosch geboren und dort auf dem Standesamt angemeldet worden. In der Urkunde war als Name des Vaters Reinout Friso Barends angegeben, geboren am 02.04.1938 in Leeuwarden. Seine Mutter hieß Anke Zijlstra, geboren am 23.12.1955 ebenfalls in Leeuwarden. Sie war dreiundzwanzig, als sie Douwe bekam, knapp zwanzig Jahre jünger als ihr Ehemann.
Die größte Überraschung war jedoch, dass Dennis’ Vater noch lebte, jedenfalls laut Auskunft des HackMac. Das Programm hatte anhand der Geburtsdaten einen 68-jährigen Reinout Barends in einem Pflegeheim in der Nähe von Leeuwarden ausfindig gemacht.
Dennis Mutter war
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