Rebecca
verliebt gewesen und es täte ihm furchtbar leid. Da gab man ihm eine letzte Chance.«
»Hatte er Freunde?«
»Nein, nicht unter den Jungen jedenfalls, abgesehen von Jan Schreuder. Der wohnte bei Teun und Liesbeth, war aber schon weg, als Dennis dorthin verlegt wurde.«
»Was war Schreuder für ein Typ?«
»Er war Waise. Ein dunkelhaariger, eher unauffälliger Junge. Er hat zehn Jahre hier gewohnt.« Van Hool dachte nach. »Schreuder war ein Mitläufer. Ich glaube, er war unheimlich stolz darauf, der Freund des großen Dennis zu sein, und er klammerte sich sehr stark an ihn. Schreuder nahm sich eine kleine Wohnung in der Stadt, und nachdem Dennis hier rauskam, ist er bei ihm eingezogen.«
»Hat Dennis nach der Schule eine Ausbildung gemacht oder angefangen zu arbeiten?«
Van Hool grinste. »Lernen war nichts für Dennis. Er kriegte einen Job in einem Hotel am Heuvelpoort. Hausmeisterarbeiten, er war ja sehr geschickt und technisch begabt. Ich weiß nicht, was danach aus ihm geworden ist oder wo er sich jetzt aufhält. Schreuder arbeitete bei einer Apotheke in der Molenstraat, er hat Apothekenhelfer gelernt.«
Ich nickte. »Gibt es Fotos von Dennis aus dieser Zeit?«
»Wir führen Hausalben mit Gruppenfotos, Bildern von Festen und so weiter.«
»Ich hätte gern ein Foto von ihm für meinen Bericht. Und auch eines von Jan Schreuder, wenn möglich.«
Er stellte keine Fragen. »Die Verwaltung archiviert Fotos von allen Kindern. Ich frage mal nach, ob die eine Kopie entbehren können.«
Ich machte mir Notizen, während er mit dem Handy telefonierte. Er schien auf Widerstände zu stoßen, aber schließlich steckte er sein Handy wieder in die Brusttasche und sagte: »Die Fotos liegen an der Rezeption.«
Ich begleitete ihn zu seiner Wohngruppe, dankte ihm und schüttelte ihm die Hand. »Sie leisten hier wertvolle Arbeit.«
»Wir versuchen es.«
Ich studierte die Karte und sah, dass ich praktisch daran vorbeikam, wenn ich die Landstraße nahm anstatt die Autobahn. Es war warm und ich gondelte mit offenen Fenstern durch Dörfer und Wiesen und setzte mit einer kleinen Fähre über. Fahrradfahrer und Spaziergänger waren in jener ausgelassenen Stimmung unterwegs, die sich überall breitmacht, sobald es Sommer wird und die Sonne herauskommt. Oud-Heusden. Eine alte Eisenbrücke, die so schmal war, dass ich erst den Gegenverkehr durchlassen musste, und schließlich Wijk-en-Aalburg, das aus zwei Dörfern künstlich zusammengeschustert wurde. Das Gute an einer Flussdeichstraße ist jedoch, dass man, ob früher oder später, quasi automatisch sein Ziel erreicht.
Ein älterer Mann zog seinen Pudel an den Straßenrand, um mich durchzulassen. Ich hielt an und fragte ihn nach dem Haus der Familie Galman.
Neugierig beugte er sich zu meinem Fenster hinunter. »Wollen Sie es kaufen?«
»Ist es denn zu verkaufen?«
»Wenn sich ein Verrückter dafür findet.« Er grinste breit. »Nehmen Sie es nicht persönlich«, fügte er hinzu. »Fahren Sie einfach weiter geradeaus, es liegt auf der rechten Seite, Sie werden schon selbst sehen, was ich meine.« Und grinsend schaute er mir nach, als ich die Hand hob und weiterfuhr.
Rechts standen Häuser auf dem Deich, links restaurierte Bauernhöfe und eine Konservenfabrik, die mich an den Reklamespot mit den Heinzelmännchen auf dem Gemüsefeld erinnerte. Hinter einer Kurve fuhr ich geradewegs auf ein Haus zu, das vollständig ausgebrannt war.
Jetzt verstand ich die merkwürdige Reaktion des Mannes mit dem Hund. Ich hielt an und stieg aus.
Von dem ehemals soliden Deichhaus mit Walmdach aus den Dreißigerjahren war nicht mehr viel übrig: Außenwände mit gähnend leeren Fensterhöhlen, verkohlte Überreste von Dachbalken. Ein Weg führte hinunter zu einem schmalen Grundstück mit einem Holzschuppen und einem verwilderten Gemüsegarten. Jenseits des Wassergrabens erstreckte sich einen halben Kilometer breit eine Auenlandschaft bis an den Fluss. Das Feuer hatte nicht erst vor kurzer Zeit gewütet; Efeu und roter Wein hatten sich inzwischen über die Mauern und durch die Fensterhöhlen in die Ruine hineingerankt und der Garten war von Unkraut und meterhohen Brombeersträuchern überwuchert.
Schräg gegenüber der Ruine stand ein niedrigeres Haus, dessen Untergeschoss aussah wie ein Geschäft mit einem kleinen Schaufenster. Als ich darauf zuging, heulte eine Alarmanlage auf. Ich blieb auf dem Zugangsweg stehen. Leo Zeeling, Juwelier, stand am Schaufenster, in dem auf Glasplatten Wecker,
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