Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
gelesen?«, fragte Sven-Erik.
»Ja, haben Sie ihn gefunden?«
»Nein, er ist noch immer verschwunden. Was meinen Sie also?«
»Tja«, sagte sie. »Wie meinen Sie das?«
Sven-Erik versuchte, seine Gedanken zu sammeln.
»Also«, begann er. »Wenn wir annehmen, dass das, was die Zeitungen andeuten, wirklich zutrifft.«
»Dass Stefan Wikström ermordet worden ist, und zwar von einem Serienmörder«, fügte sie hinzu.
»Genau. Aber wäre das nicht seltsam?«
Sie blieb stumm. Wartete darauf, dass Sven-Erik sich genauer erklärte.
»Ich meine«, sagte er, »es ist doch seltsam, dass er verschwunden ist. Der Mörder hat Mildred unter der Orgel aufgehängt, warum macht er das nicht auch mit Stefan Wikström?«
»Er muss ihn vielleicht erst säubern. Bei Mildred Nilsson habt ihr doch ein Hundehaar gefunden, oder? Oder er möchte ihn noch ein wenig behalten.«
Sie verstummte und schien nachzudenken.
»Es tut mir leid«, sagte sie endlich. »Wenn der Leichnam auftaucht – falls er auftaucht, er kann doch auch freiwillig verschwunden sein –, dann können wir weiterreden. Und überlegen, ob es ein Muster gibt.«
»Na gut«, sagte Sven-Erik. »Er kann aus freien Stücken verschwunden sein. Er hatte ja Dreck am Stecken, was eine kircheneigene Stiftung betrifft. Und dann hat er entdeckt, dass wir seiner schmutzigen kleinen Geschichte auf der Spur waren.«
»Einer schmutzigen kleinen Geschichte?«
»Ja, es ging um ungefähr hunderttausend. Und es ist noch die Frage, ob das für eine Anklage ausgereicht hätte. Es dreht sich um eine Bildungsreise, die eigentlich ein privater Urlaub war.«
»Sie glauben also nicht, dass er einen Grund hatte, deshalb die Flucht zu ergreifen?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber wenn nun die Tatsache an sich ihm Angst gemacht hat, also, dass die Polizei näher rückte?«
»Wie meinen Sie das?«
Sie lachte.
»Ach, einfach so«, sagte sie mit Nachdruck. Dann klang sie plötzlich sehr förmlich.
»Ich wünsche Ihnen alles Gute. Lassen Sie von sich hören, wenn etwas passiert.«
Kaum hatten sie aufgelegt, da begriff Sven-Erik, was sie gemeint hatte. Wenn Stefan Mildred ermordet hatte…
Sofort setzte sein Gehirn zum Widerspruch an.
Wenn wir aber einfach mal annehmen, dass er es war, beharrte Sven-Erik in Gedanken. Dann könnte unser Auftauchen ihn in die Flucht geschlagen haben. Egal, was wir wollten. Und wenn wir ihn nur nach der Uhrzeit hätten fragen wollen.
Anna-Marias Telefon klingelte. Es war die Buchhändlerin aus Stockholm.
»Ich hab das mit dem Symbol geklärt«, sagte sie ohne Einleitung.
»Ja?«
»Einer von meinen Kunden kannte es. Es steht auf der Vorderseite eines Buches namens The Gate . Geschrieben hat es Michelle Moan, das ist ein Pseudonym. Das Buch ist nicht ins Schwedische übersetzt worden. Ich habe es nicht. Aber ich kann ein Exemplar für Sie besorgen. Soll ich?«
»Ja. Worum geht es in diesem Buch?«
»Um den Tod. Es ist ein Totenbuch. Sehr teuer. Zweiundfünfzig Pfund. Und dann kommen noch Versandkosten dazu. Ich hab schon beim Verlag in England angerufen.«
»Ja?«
»Ich habe gefragt, ob bei ihnen Bestellungen aus Schweden eingelaufen sind. Sie hatten ein paar. Eine aus Kiruna.«
Anna-Maria hielt den Atem an. Ein Hoch der Amateurdetektivin!
»Haben sie einen Namen genannt?«
»Ja. Benjamin Wikström. Ich habe auch eine Adresse.«
»Ist nicht nötig«, rief Anna-Maria in den Hörer. »Tausend Dank. Ich melde mich wieder!«
Sven-Erik Stålnacke stand bei Sonja in der Zentrale. Er hatte einfach noch einmal fragen müssen.
»Was haben die anderen gesagt? Hat irgendwer was über Manne gehört?«
Sie schüttelte den Kopf.
Plötzlich tauchte Tommy Rantakyrö hinter Sven-Eriks Rücken auf.
»Ist dein Kater verschwunden?«, fragte er.
Sven-Erik grunzte als Antwort.
»Dann ist er sicher zu anderen Leuten gezogen«, sagte Tommy sorglos. »Du weißt doch, Katzen, die hängen nicht an Menschen, das ist nur unsere eigene…Projektifi…dass wir unsere Gefühle in sie hineinlesen. Sie empfinden keine Zuneigung, das ist wissenschaftlich bewiesen.«
»Was ist das für ein Scheißgerede«, knurrte Sven-Erik.
»Aber das ist die Wahrheit des Tages«, sagte Tommy, ohne sich von Sonjas Blicken warnen zu lassen. »Du weißt doch, wenn die sich an deine Beine drücken und daran herumstreichen. Dann machen die das, um Duftmarken zu setzen, um klarzustellen, dass man ein Futter- und Rastplatz ist, der ihnen gehört. Sie sind keine Herdentiere.«
»Na ja,
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