Rebecka Martinsson 02 - Weisse Nacht
Rußige Schminke um die Augen. Und ihre T-Shirts erst! Im vorigen Schuljahr hatte einer von Benjamins Kumpels eins mit einem Säuglingsskelett.«
Sie lachte und hob die Schultern in gespieltem Schaudern. Wurde dann ernst, als Anna-Maria nicht lächelte.
»Aber es sind wirklich liebe Kinder«, sagte die Rektorin dann. »Benjamin hatte im vorigen Jahr, in der achten Klasse, eine schwierige Phase, aber ich würde ihn jederzeit als Babysitter für meine eigenen Kinder anheuern. Wenn ich kleine Kinder hätte.«
»Wieso hatte er im vorigen Jahr eine schwierige Phase?«, fragte Sven-Erik.
»Er hatte große Probleme mit dem Lernen. Und er wurde so…sie wollen ja anders aussehen als alle anderen, deshalb laufen sie so rum. Ich denke ab und zu, dass sie ihr Gefühl, am Rand zu stehen, vor sich hertragen. Es als ihre eigene Entscheidung aussehen lassen. Aber es ging ihm nicht gut. Er hatte viele kleine Wunden an den Armen, und immer pulte er die Krusten ab. So, als ob die Wunden einfach nicht heilen dürften. Aber nach Weihnachten kam er dann langsam wieder auf die Beine. Damals hatte er eine Freundin gefunden und eine Band gegründet.«
Sie lächelte.
»Diese Band. Herrgott, die haben im Frühjahr hier in der Schule gespielt. Und irgendwie hatten sie sich einen Schweinekopf besorgt, auf den sie auf der Bühne mit Äxten einhacken konnten. Sie waren einfach überglücklich.«
»Ist er ein guter Zeichner?«, fragte Sven-Erik.
»Ja«, sagte die Rektorin. »Das ist er.«
Es wurde an die Tür geklopft, und Benjamin Wikström kam herein.
Anna-Maria und Sven-Erik stellten sich vor.
»Wir würden dir gern ein paar Fragen stellen«, sagte Sven-Erik.
»Ich rede nicht mit euch«, sagte Benjamin Wikström.
Anna-Maria Mella seufzte.
»Dann muss ich dich vorläufig festnehmen, und du musst mit zur Wache kommen.«
Den Blick zu Boden gesenkt. Die strähnigen Haare vor dem Gesicht.
»Dann macht das doch.«
»SO«, SAGTE ANNA-MARIA zu Sven-Erik. »Reden wir jetzt mit ihm?«
Benjamin Wikström saß in Vernehmungsraum 1 . Er hatte kein Wort gesagt, seit sie die Schule verlassen hatten. Sven-Erik und Anna-Maria holten sich Kaffee. Und eine Cola für Benjamin Wikström.
Oberstaatsanwalt Alf Björnfot kam über den Flur galoppiert.
»Wen habt ihr festgenommen?«, keuchte er.
Sie berichteten von ihrem Einsatz.
»Fünfzehn«, sagte der Staatsanwalt. »Seine Erziehungsberechtigten müssen dabei sein, ist die Mutter da?«
Sven-Erik und Anna-Maria wechselten einen Blick.
»Dann schafft sie gefälligst her«, sagte der Staatsanwalt. »Gebt dem Jungen was zu essen, wenn er will. Und ruft das Jugendamt an. Die sollen auch jemanden schicken. Und sagt mir dann Bescheid.«
Damit war er verschwunden.
»Ich will nicht«, stöhnte Anna-Maria.
»Ich geh sie holen«, sagte Sven-Erik Stålnacke.
Eine Stunde später saßen sie im Vernehmungszimmer. Sven-Erik Stålnacke und Anna-Maria Mella auf der einen Seite des Tisches. Auf der anderen Benjamin Wikström zwischen einer Vertreterin des Jugendamts und Kristin Wikström. Ihre Augen waren blutunterlaufen.
»Hast du Mildred Nilsson diese Zeichnung geschickt?«, fragte Sven-Erik. »Wir werden bald die Fingerabdrücke haben. Wenn du es also warst, kannst du es auch gleich sagen.«
Benjamin Wikström schwieg verbissen.
»Herrgott«, sagte Kristin. »Was soll denn das, Benjamin? Wie konntest du so etwas tun? Das ist doch krankhaft!«
Benjamins Miene verhärtete sich. Er starrte die Tischplatte an. Presste die Arme an den Leib.
»Wir sollten vielleicht eine kleine Pause einlegen«, sagte die Frau vom Jugendamt und legte den Arm um Kristin.
Sven-Erik nickte und schaltete das Tonbandgerät aus. Kristin Wikström, die Frau vom Jugendamt und Sven-Erik verließen das Zimmer.
»Warum willst du nicht mit uns reden?«, fragte Anna-Maria.
»Weil ihr einfach nichts kapiert«, sagte Benjamin Wikström. »Ihr kapiert rein gar nichts.«
»Das behauptet mein Sohn auch immer. Er ist genauso alt wie du. Hast du Mildred gekannt?«
»Sie ist das nicht auf der Zeichnung. Rafft ihr das nicht? Das ist ein Selbstporträt.«
Anna-Maria sah sich die Zeichnung an. Sie war davon ausgegangen, dass sie Mildred darstellte. Aber auch Benjamin hatte lange dunkle Haare.
»Du warst mit ihr befreundet!«, rief Anna-Maria. »Deshalb hattest du die Zeitungsartikel!«
»Sie hat es kapiert«, sagte er. »Sie hat es kapiert!«
Hinter dem Vorhang aus Haaren fielen Tränen auf die Tischplatte.
Mildred und Benjamin sitzen
Weitere Kostenlose Bücher