Rebellen der Ewigkeit
Pressekonferenz beenden.«
Ein Journalist in der ersten Reihe meldete sich zu Wort. »Woher wisst ihr so genau über die Technologie von Tempus Fugit Bescheid? Und wieso seid ihr so sicher, dass sie mit den aufgetretenen Phänomenen in Verbindung steht?«
»Die beim Zeithandel eingesetzte Technologie basiert auf Erkenntnissen, die wissenschaftliches Allgemeingut sind«, erwiderte der Mann. »Letztlich handelt es sich um nichts anderes als die Weiterentwicklung der auch anderswo im Einsatz befindlichen Quantencomputer. Die Rechner von Tempus Fugit sind allerdings um ein Vielfaches leistungsfähiger. Wer in die Welt der Quanten eingreift, der greift zugleich in die fundamentale Struktur unserer Welt ein. Die Physiker wissen das schon lange. Ob es sich nun um Teilchenbeschleuniger handelt oder hochleistungsfähige Quantencomputer, niemand kann im Vorfeld sicher sein, was damit angerichtet werden kann. Die etablierte Wissenschaft spricht dann vom Restrisiko . Was sie allerdings nicht verraten, ist, dass dieses Restrisiko die Vernichtung der gesamten Menschheit bedeuten kann.
Umgekehrt sagen auch wir: Es gibt zwar keine Beweise, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Zeithandelsaktivitäten zu einer Schädigung unseres Universums geführt haben, von der wir derzeit noch nicht wissen, ob sie sich wieder rückgängig machen lässt.«
Die nächste Frage kam von einer Frau aus der letzten Reihe. »Wie wir aus den Medien wissen, handelt es sich bei den Zeitbatterien um riesige Container, die doppelt und dreifach geschützt waren. Wie war es euch möglich, sie in euren Besitz zu bringen?«
»Diese Frage werden wir zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten«, entgegnete die Frau in der Mitte. »Nur so viel: Tempus Fugit sind nicht die Einzigen, die über fortgeschrittenen technologischen Sachverstand verfügen.«
»Sind die Rebellen also kritische Wissenschaftler?«
»Auch dazu möchte ich jetzt nichts sagen. Wir haben den Weg in die Öffentlichkeit auch nur deshalb gewählt, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die von dieser Technologie ausgehen. Wenn es euch gelingt, das euren Lesern zu vermitteln, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter.«
Die Person auf der linken Seite warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und stieß ihre Nachbarin an. Diese nickte.
»Unsere Zeit für heute ist um. Wir werden uns nach der Zerstörung der Zeitbatterien wieder zu Wort melden.«
Das Videobild flackerte kurz und verschwand dann. Sofort schwoll das Stimmengewirr im Keller an. Ein rothaariger Bursche mit langen Haaren und Vollbart schlug Andersen auf die Schulter. »Ich hoffe, du hast deine Tempus-Fugit -Aktien rechtzeitig verkauft, mein Lieber!«, dröhnte er.
»Colin, alter Schotte!« Andersen zog den Mann zu seinen Begleitern hin. »Das sind meine Freunde Valerie und Willis. Und das hier ist Colin. Seine Familie ist vor über hundert Jahren aus Schottland eingewandert und er hat den legendären schottischen Geiz geerbt. Hütet euch davor, euch von ihm zum Essen einladen zu lassen, denn ihr würdet unweigerlich auf der Rechnung sitzen bleiben.«
»Glaubt ihm nicht.« Colin zwinkerte den beiden zu. »Er ist nur neidisch, weil ich besser mit Geld umgehen kann als er. Ich habe meine Papiere verkauft, als ich die Einladung für heute erhalten habe.«
»Ist es wirklich so schlimm?«, fragte Valerie.
»Schlimmer«, grinste der Rothaarige. »Spätestens in ein paar Stunden wird die Nachricht vom Diebstahl der Zeitbatterien über den Ticker gehen. Und dann heißt es: adios, dividendos . Ohne gelagerte Zeit kein Zeithandel. Ohne Zeithandel keine Gewinne. Ohne Gewinne keine Dividenden. Und die Folge? Kursabsturz.«
»Vielleicht ist es das, was die Rebellen beabsichtigen«, spekulierte Andersen. »Möglicherweise geht es ihnen darum, das gesamte Finanzsystem zum Kollaps zu bringen, und der Zeithandel dient nur als Vorwand dafür.«
Colin schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Es wird zwar einen Absturz geben, doch er wird das System nicht gefährden.«
»Aber diese merkwürdigen Vorkommnisse scheinen sich ja wirklich zu häufen«, meldete sich Willis zu Wort.
»Der Werther-Effekt«, erwiderte Colin. Und ergänzte, als er Valeries und Willis’ fragende Blicke bemerkte: »Nachdem Goethe 1774 seinen Roman Die Leiden des jungen Werther veröffentlicht hatte, in dem der Titelheld Selbstmord begeht, stieg die Zahl der Selbstmorde von jungen Männern in Deutschland deutlich. Der Stadtrat von Leipzig sah sich deshalb
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