Rebellen: Roman (German Edition)
beruhen ließ.
Doch der Prokurist lief rot an und schien plötzlich keine Luft mehr zu bekommen. »Das Kommunistenblatt! Du liest dieses Kommunistenblatt!«, schrie er. Dann: »Raus! Ich will dich hier nicht sehen.«
Etwas war schiefgelaufen. Gründlich.
Alle anderen Lehrlinge zogen die Köpfe ein. Keiner wusste, was geschehen war.
Paul stand auf und ging.
Das nächste Mal würde er nicht mehr so voreilig sein.
Aber am nächsten Tag kaufte er sich den Spiegel, obwohl er eine Mark und fünfzig Pfennige kostete. Wenn der Schmidt sich so darüber aufregte, musste doch irgendwas dran sein. Er verstand beileibe nicht alles, musste sich oft ein Wort von Alexander erklären lassen, aber von nun an kaufte er Woche für Woche den Spiegel.
31. Alexander
1966 wählte die UI a Alexander zum Klassensprecher. Einige Wochen später sollten sich alle Klassensprecher in der Aula treffen, um den neuen Schulsprecher zu wählen. Alexander wusste, dass Stefan Dreyer, der blonde Mädchenschwarm aus der Parallelklasse, kandidieren wollte.
Ein Paul-McCartney-Fan sollte das Kepler-Gymnasium nicht vertreten, fand er.
»Das sollte besser ein Stones-Fan machen«, sagte Paul.
»Genau.«
Außerdem fand Alexander das Verfahren undemokratisch. Warum wählten die Klassensprecher und nicht alle Schüler den Schulsprecher?
Er überlegte zwei Tage und schrieb dann für die Jubiläumsausgabe des Keplerturms, der Schülerzeitung des Gymnasiums, einen Artikel.
Der Schulsprecher, Person und Amt
Kritik und Vorschlag
Alexander Helmholtz, UI a
Ein Schulsprecher ist nach landläufiger Ansicht der Vertreter der Schülergemeinde, gewählt vom Schülerparlament. Es ist daher bedenklich, daß – nach meiner Schätzung – etwa 1/3 aller Schülerdes KG von seiner Wahl nie etwas erfährt und ihn nicht mit Namen kennt. Die restlichen 2/3 haben kein engeres Verhältnis zu ihm, sie wissen nicht Bescheid, was er tun und lassen kann – obwohl er doch ihr Wortführer ist.
Daraus folgt Vorschlag Nr. 1: Der Schulsprecher sollte über die Klassensprecher eine gewisse Kontaktpflege mit seinem »Fußvolk« betreiben, sei es durch hektographierte Anschläge, sei es durch persönliches Auftreten vor verschiedenen Klassen. Eine derartige Publikumsarbeit würde sicher dazu beitragen, obige Mängel zu beheben.
Während sich das vorige allein auf die Person des Schulsprechers bezog, betrifft das Folgende die Institution. Bisher war es üblich, daß die Klassensprecher in der SMV den Schulsprecher und seinen Stellvertreter wählen. Diese gaben ihre ganz persönliche Stimme ab, die durch die Klassenmeinung – falls eine solche überhaupt vorhanden war – nicht entscheidend beeinflußt wurde. Man erkundigte sich weder nach ihr, noch wurden irgendwelche Vorwahlen abgehalten.
Vorschlag Nr. 2: Die Schüler aller Klassen des KG wählen ihren obersten Vertreter in einer Abstimmung, die nicht einmal geheim zu sein braucht. Jeder einzelne kann sich dabei frei äußern und entscheiden. Durch diese Wahl würde auch ein größeres Interesse an der Person des Schulsprechers geweckt, bei mehreren Kandidaten könnte eine Art Wahlkampf entstehen.
Unvermeidlich ist natürlich, daß eine derartige Wahl einen größeren Aufwand erfordert. Seit Jahrund Tag wurde der Schulsprecher zu Beginn eines neuen Schuljahres gekürt; bis aber die erste SMV nach Tertialanfang zusammentritt, verstreicht erfahrungsgemäß geraume Zeit; ist aber der Gewählte dann wirklich eingearbeitet, d. h., er kennt seine Rechte und Pflichten genau und entwickelt in Glücksfällen etwas Eigeninitiative, ist seine Amtszeit abgelaufen.
Wie gesagt, eine Wahl nach meinem Vorschlag bedarf eines größeren Aufwands – und der wäre in diesem Fall nutzlos vertan.
Daraus folgt Vorschlag Nr. 3: Der Schulsprecher wird auf drei Jahre gewählt, um ihm eine angemessene Arbeitszeit zu gewähren. Hieraus ergibt sich die Konsequenz, daß die »Mindestbefähigungsgrenze« nicht mehr bei OII , sondern bei UII liegt, da sich Primaner ja nicht mehr zur Wahl stellen können.
Dies könnte einen Ansatzpunkt für Schwierigkeiten bilden, denn es ist sehr fraglich, ob bei einem derart ausgeprägten Klassen- und Stufenbewußtsein wie auf den Gymnasien sich beispielsweise ein Oberprimaner von einem Untersekundaner Anweisungen geben ließe. In einem solchen Fall scheinen auch der Vernunft der »Elite« Schranken gesetzt. Doch sollten diese Bedenken kein ernsthaftes Hindernis für die vorgeschlagenen Umstellungen bilden.
Die
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