Rebellin der Leidenschaft
Reichtums und seiner Macht begehrt war. Natürlich wusste er, dass er nur deshalb tun und lassen konnte, was er wollte, weil er der Herzog von Clayborough war. Es hatte nichts damit zu tun, dass er Hadrian Braxton-Lowell war. Er war bei seinesgleichen nur deshalb so gefragt, weil er der Herzog von Clayborough war - andernfalls wäre er alles andere als beliebt gewesen. Man hätte über seine zurückgezogene Lebensweise und seine Vorliebe für geschäftliche Dinge die Nase gerümpft - sehr wahrscheinlich hätte man ihn einfach für einen etwas verschrobenen Eigenbrötler gehalten.
Doch das war Hadrian gleichgültig. An der Meinung anderer über ihn war ihm noch nie etwas gelegen; damit hatte er schon vor langer Zeit aufgehört.
Und mit Frauen war es nicht anders. Viele hatten sich schon in ihn verliebt. Sie wetteiferten um seine Gunst und sogar um die Ehre, das Bett mit ihm zu teilen. Viele hatten die Hoffnung gehegt, ihn Elizabeth abspenstig machen zu können. Viele hatten ihn heiraten wollen. Aber er war nicht deshalb begehrt, weil er gut aussah, oder weil er sehr männlich, gescheit oder ehrbar war. Er war nicht um seiner Person willen beliebt, sondern weil er der Herzog von Clayborough war.
Nicht wenige Frauen strebten sogar danach, seine Geliebte zu werden, auch wenn derlei Bemühungen keinen Einfluss darauf hatten, welche er auswählte. Und das war nicht etwa deshalb so, weil er ein guter Liebhaber war, oder weil er sie verschwenderisch mit all dem Putz und Tand versorgte, den sie sich wünschten, oder weil er großzügig war und sie mit Luxus bedachte. Seine derzeitige Geliebte war die betörend schöne Holland Dubois. Sie profitierte gut davon, die Geliebte des Herzogs von Clayborough zu sein. Ob sie ins Theater ging, in ein Restaurant oder in einen Modesalon - sie war überall ein gern gesehener Gast, dem man jeden Wunsch und jedes Begehr augenblicklich erfüllte. Ihre Liaison mit ihm verschaffte ihr große Macht, mehr als ihr jeder andere Mann verschaffen konnte, es sei denn, er hätte der Königsfamilie angehört. Diese Machtfülle hätte in der Tat nur noch von seiner Gattin übertroffen werden können, wenn er sich denn einmal zur Ehe entschlossen hätte.
Er hatte Nicole Shelton einen Heiratsantrag gemacht. Er hatte vorgehabt, sie zu ehelichen, sie zu seiner Gattin und zur Herzogin von Clayborough zu machen. Nie wieder hätte die Gesellschaft es gewagt, sie zu kritisieren. Sie wäre endgültig und unwiderruflich akzeptiert gewesen. Denn seine Macht, seine Position und sein Reichtum wären mit auf sie übergegangen.
Aber sie hatte ihm den Laufpass gegeben.
Und es war ihr ernst damit gewesen. Sie machte sich nichts aus den Vorzügen, die er aufgrund seiner Position zu bieten hatte -und sie wollte auch ihn nicht. Etwas war geschehen, was sie absolut gegen ihn einnahm, und das hatte er einzig und allein sich selbst zuzuschreiben. Es war sein eigenes Benehmen, sein Verhalten. Sein Benehmen gestern, in der Bibliothek, sein Benehmen jedes Mal, wenn sich ihre Wege gekreuzt hatten.
Er war nicht anders als Francis, und das hatte sie erkannt.
Hadrian atmete schwer. Er wandte sich um und betrachtete sich im Spiegel über dem Kaminsims. Wusste sie über seinen Vater Bescheid, wusste sie, was für ein zügelloser, perverser Mensch er gewesen war? Hatte sie Einzelheiten aus seinem Lebenswandel in Erfahrung gebracht? Und ähnliche Charakterzüge bei ihm entdeckt?
»Ich bin nicht so wie Francis!«, sagte er barsch zu sich. »Verdammt, ich habe doch immer ehrenvoll gelebt - ich bin nicht so wie er!«
Er sah die Qual in seinen weit aufgerissenen Augen, er sah den Zweifel, und für einen Augenblick erschrak er fast über sich selbst. Doch dann hatte er seine charakteristische Miene, um die er sich lange Zeit bemüht hatte und die ihm so wichtig war, wieder gefunden - den perfekten Ausdruck von Höflichkeit und Gelassenheit.
Doch die Wahrheit verhöhnte ihn. Die Wahrheit schmerzte. Nicole hatte ihn zurückgewiesen. Es tat so weh, wie es ihm früher wehgetan hatte - ein Schmerz, den er seit langem tot geglaubt hatte.
Ein Schmerz, den er nun endgültig begraben wollte.
Die Wahrheit war Geschichte, eine Geschichte, die er sorgsam vergessen und verdrängt hatte, was ihm in der Tat bestens gelungen war. Bis jetzt. Bis er sie traf. Seither war die Wahrheit in der Gegenwart, so lebhaft, als sei sie im Heute und nicht Jahre weit entfernt. Die Wahrheit war ein kleiner Junge, der weinte und sich fürchtete, allein in
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