Rebellin der Leidenschaft
fühlen - sie konnte sich diesen unendlichen Kummer nicht eingebildet haben. »Geht es dir gut?«, flüsterte sie unsicher. Am liebsten hätte sie eine Hand über das Tischchen ausgestreckt, um die seine zu berühren. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass er eine solche Geste schroff abweisen würde.
»Das ist eine Frage, die ich dir stellen sollte.«
Sie errötete erneut. »Mir geht es gut.«
Jetzt schien er sich unwohl zu fühlen. »Ist mein Besuch wirklich eine derartige Überraschung?«
»Ja.«
»Dachtest du, nach dem, was gestern war, würde ich nicht kommen?«
Sie sah ihn verständnislos an und setzte sich steif und kerzengerade auf. Meinte er, was sie dachte, dass er meinte? Dass er gekommen war, weil er sie sehen wollte? Sie lächelte ihn unsicher an.
»Ich bin gekommen, um die Dinge zu berichtigen, Nicole.«
»Zu - zu berichtigen?«
»Ich würde dich gern unter vier Augen sprechen«, sagte der Herzog und stand abrupt auf. Mit festem Schritt querte er den Raum und schloss die Tür. Dann wandte er sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin ein Ehrenmann. Meine Ehre bedeutet mir alles, und deshalb versuche ich zumindest, dementsprechend zu leben. Gestern habe ich allerdings schmählich versagt.«
Nicole ließ alle Hoffnung fahren. »Du bist zornig auf mich.«
Seine Miene verhärtete sich. »Es geht hier nicht um Zorn. Dich trifft keine Schuld. Mich aber umso mehr. Mein Tun spricht für sich.«
»Ich weise dir keine Schuld zu«, flüsterte sie und hätte am liebsten geweint. Er bedauerte also, was geschehen war, er bedauerte, was sie getan hatten - was sie miteinander geteilt hatten.
»Ob du mir Schuld zuweist oder nicht, ist irrelevant. Was zählt, ist die Konsequenz deines Besuches, nichts sonst.«
Nicole befeuchtete sich die Lippen. »Die Konsequenz?«
»Du bist keine Jungfrau mehr, und du könntest von mir schwanger sein.«
»Was Ersteres anbetrifft, so ist mir das gleichgültig, und das Zweite ...« Sie verstummte. Daran hatte Nicole überhaupt nicht gedacht, absichtlich.
»Nur du kannst so eine Antwort geben.« Sein Groll schien stärker zu werden. »Ich bin gekommen, um dir klar zu machen, dass ich nicht gewillt bin, die Dinge zwischen uns so zu belassen, wie sie sind. Das wäre noch unerträglicher als mein gestriges Benehmen. Wir werden heiraten.«
Ihr Mund blieb offen stehen.
»Normalerweise würden wir ein Jahr warten«, erklärte er mit bohrendem Blick und im Befehlston. »Doch nachdem die Möglichkeit besteht, dass du ein Kind bekommen könntest, werden wir unverzüglich heiraten. Ich werde noch heute Nachmittag mit deinem Vater sprechen, sobald er zurückgekehrt ist.«
Nicole war sprachlos. Im ersten Moment drehte sich alles in ihrem Kopf, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Und so wenig ihr dies gelingen wollte, spürte sie doch auch keinen Jubel, sondern nur eine heraufziehende dunkle Verzweiflung. »Aber du willst mich gar nicht heiraten.«
Er überlegte kurz. »Was ich will, ist irrelevant. Mein gestriges Tun hat dein Schicksal bestimmt - und auch das meine.«
»Ich verstehe.«
»Du wirkst verwirrt.« Er schritt durch den Raum und schenkte ihr einen Sherry ein. »Ich hätte wohl nicht so schonungslos offen sein sollen.«
»Du hättest nicht schonungsloser sein können«, entgegnete sie. Wütend versuchte sie die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. »Du hast klar zu verstehen gegeben, dass du mich aus Pflichtgefühl und Ehre heiraten willst.«
Er reichte ihr das Glas Sherry, doch sie lehnte es ab. »Du sprichst, als seien meine Absichten die eines Rüpels. Es ist meine Pflicht, dich zu heiraten.«
»So wie es auch deine Pflicht war, Elizabeth zu heiraten«, sagte Nicole. »Aber sie hast du geliebt.«
Er erwiderte nichts.
»Du willst mich doch nicht wirklich heiraten, Hadrian, ist es nicht so? Wenn du die Wahl hättest -«
Jetzt bemerkte sie zum ersten Mal seinen Zorn. »Ich habe keine Wahl! Was ich will, ist völlig belanglos!«
»Für mich nicht.«
Betretenes Schweigen.
»Was soll das heißen?«, fragte er schließlich fordernd.
Nicole war drauf und dran, alles zu beichten, doch dann hielt sie sich im Zaum. Er war gekommen, um seine Pflicht zu erfüllen, um »die Dinge zu berichtigen«, als sei sie eine geschäftliche Angelegenheit, die es zu regeln galt. Wie nobel von ihm! Wie hochnobel - dabei war er noch gestern den Tränen so nahe gewesen, wie es ein Mann seines Kalibers nur sein konnte - einer anderen Frau wegen. Er liebte eine
Weitere Kostenlose Bücher