Rebellin der Leidenschaft
seinem Bett, allein in seinem Zimmer, in Clayborough, im Dunkel einer endlosen Nacht. Es war für ihn das früheste Geschehen, an das er sich erinnern konnte.
Er war damals wohl nicht älter als vier Jahre gewesen. Er sollte der nächste Herzog werden, also musste er ein richtiger Mann sein. Aber er war kein Mann. Er hatte Angst. Er versuchte, die Tränen zurückzuhalten, doch sein Schluchzen weckte die Eltern. »Liebling, was ist denn passiert?«, murmelte Isobel, die in sein Zimmer eilte und ihn in die Arme schloss. Er versuchte, nicht zu weinen, keine Angst zu haben, und erzählte ihr von dem Ungeheuer, das ihn im Schlaf verfolgt hatte. Sie tröstete ihn, und er fühlte sich wieder besser, bis er die Stimme seines Vaters in der Türöffnung hörte. Noch bevor er überhaupt verstand, was der Vater sagte, krampfte er sich bereits zusammen. »Du verziehst ihn! Lass ihn allein! Was ist er bloß für eine Memme!« Francis lachte. Er verstand, was der Vater sagte, und diese bösen, grausamen Worte schmerzten ihn. War er wirklich eine Memme, ein Feigling? Sein Vater grinste ihn an, voller Hohn und Verachtung. »Du Heulsuse!«, spottete er. »Angst vor der Dunkelheit! Ein Herzog hat nie Angst vor dem Dunkel, aber du wirst ja sowieso nie ein richtiger Herzog, habe ich Recht? Du wirst nie ein richtiger Herzog!« Isobel richtete sich wutentbrannt auf. Der kleine Junge kauerte sich zusammen; er wusste schon, was jetzt kommen würde, und fürchtete sich davor. Und er wusste, dass es seine Schuld war. »Hör auf!«, schrie sie und ging auf Francis los. »Wie kannst du es wagen! Wie kannst du nur ...«
»Ich kann alles, was ich will!«, fauchte Francis. Er packte sie und zerrte sie mit Gewalt hinaus auf den Flur. »Lass diese Memme allein! Hast du gehört? Du sollst dein verweichlichtes Knäbchen allein lassen!« Sie kämpften miteinander. Der Junge beobachtete die Szene; er wusste, dass seine Mutter leiden musste, nur weil sie ihn beschützen wollte - ihn, das Knäbchen, die Memme. Er weinte. Er konnte nicht anders. Er wusste nicht, wie lange sie kämpften, bis er, trotz seiner Furcht, aufstand und versuchte, seiner Mutter beizustehen. Aber er war klein und nicht sehr kräftig, und seine kleinen Fäuste brachten Francis nur noch mehr in Rage, so dass er auch ihn schlug. Seine Mutter wurde aus dem Zimmer geschleift. Sein Vater befahl, er müsse allein im dunklen Zimmer bleiben, und sperrte die Tür von außen ab. Er kroch ins Bett zurück, verletzt, elend, verängstigt. Es war nicht das erste Mal, dass er merkte, dass sein Vater - dieser große, blonde, gut aussehende, gottgleiche Mann, der Herzog - dass dieser Vater ihn nicht mochte. Ihn nicht liebte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie lange er das bereits wusste. Vielleicht schon immer. Er rollte sich unter der Bettdecke zusammen.
Die Wahrheit. Hadrian betrachtete sich im Spiegel und fasste sich wieder. O Gott, es war so lange her, er hatte geglaubt, diese Erinnerung sei längst ausgelöscht. Er hatte geglaubt, der Schmerz sei erloschen. Aber irgendwie hatte sich der Schmerz aus der Ablehnung seines Vaters mit dem Schmerz aus Nicoles Zurückweisung verbunden.
Er sagte sich, dass er sich wie ein Narr benahm. Doch es war zu spät - er hatte seinen nackten, ungeschminkten Gefühlen bereits ins Gesicht gesehen und einen Schritt hin zum Abgrund getan. Aber noch war Zeit, um wieder zurückzutreten.
Er konnte in seinem nie erstorbenen Hass verweilen. Der Hass, den er für Francis noch immer empfand, gab ihm Stärke. Und Macht. Francis hatte ihm Stärke gegeben, obwohl er ihn zu einem Schwächling hatte machen wollen. Letztlich war Francis selbst der Schwächling gewesen, und weil er das war, hatte er die gequält und zu Opfern gemacht, die noch schwächer waren als er, vor allem seine Frau und seinen kleinen Sohn. Jetzt war das alles so leicht zu verstehen - aber damals war es Hadrian unmöglich gewesen.
Aber er wollte nicht über Francis nachsinnen - und er wollte sich auch nicht mit Nicoles Zurückweisung aufhalten. Francis war tot, die Vergangenheit war begraben. Er war stolz auf das, was er war. Wenn sie dachte, er sei wie sein Vater, dann lag sie einfach falsch - und das würde er ihr beweisen. Er würde tief in sich schürfen und noch mehr Stärke aus sich herausholen. Und die Bestie, die offenbart worden war, würde sich nie mehr wieder zeigen.
Er war jetzt ruhiger und konnte über Nicole nachdenken. Es spielte keine Rolle, was sie über ihn dachte oder was
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