Rebellin der Leidenschaft
dumm gewesen. Wenn sie wenigstens auf der Straße eine Eskorte gehabt hätte, dann hätten die drei Landstreicher es nie gewagt, sich ihr zu nähern. Aber nicht nur, dass sie keine Eskorte gehabt hatte - sie war auch nicht annähernd so gekleidet gewesen, wie es der Herzogin von Clayborough geziemt hätte. Wie man es auch drehte und wendete, Nicole konnte nicht leugnen, dass es ihre Schuld war.
Wegen ihres tölpelhaften Benehmens wäre ein Mann beinahe zu Tode gekommen.
In ihrer schmutzigen Kleidung saß sie auf der samtenen Tagesdecke und musste sich eingestehen, dass sie als Herzogin vollkommen versagt hatte - und dazu hatte sie auch noch die Chancen auf eine glückliche Beziehung mit ihrem Mann verspielt.
Sie hörte, wie vor dem Haus Reiter davongaloppierten. Nicole lief zum Fenster. Sie erkannte ihren Gatten vorneweg auf seinem hageren, schwarzen Jagdpferd. Ihr Magen zog sich zusammen. Hadrian setzte den Angreifern nach.
Es klopfte an ihrer Tür. Annie und Mrs. Veig traten ein; das Mädchen war bleich und verängstigt; Mrs. Veig blickte düster und versuchte, teilnahmslos zu wirken. Nicole wusste, dass die Haushälterin mit dieser Miene versuchte, ihre Missbilligung zu verbergen.
»Lass Ihrer Gnaden die Wanne ein, Annie«, wies Mrs. Veig das Mädchen an, und Annie verschwand eilends im Bad. Mrs. Veig stellte ein Tablett mit Kuchen und heißer Schokolade neben den Sessel. »Ich dachte, Sie mögen vielleicht etwas Süßes, das beruhigt die Nerven.«
Nicole hatte keinen Appetit, doch sie nickte dankbar.
Die Haushälterin holte einen warmen Wollbademantel und mit Brokat verzierte Hausschuhe aus Nicoles Schrank. Nicole zog Stiefel, Hose und Hemd aus und ließ die Sachen auf dem Boden liegen. Nach einer Weile rief Annie aus dem Badezimmer, das Wasser sei eingelassen. Nicole wollte gerade ihre Unterwäsche ausziehen, als Mrs. Veig ihre am Boden liegenden Sachen aufhob. Die Haushälterin kümmerte sich sonst nie um schmutzige Wäsche, deswegen fiel es Nicole sofort auf. »Mrs. Veig«, fragte sie, »was machen Sie da?«
»Tut mir Leid, Euer Gnaden. Seine Gnaden hat angeordnet, dass ich diese Sachen an mich nehme.«
»Um sie zu verbrennen?«
»Jawohl.«
Nicoles Körper verkrampfte sich.
»Tut mir Leid, Euer Gnaden«, wiederholte die Haushälterin. Dann verschwand sie mit den Kleidern, nur Nicoles teure Reitstiefel ließ sie stehen.
Nicole schloss die Augen. Sie bedauerte das, was geschehen war, außerordentlich, aber das ging einfach zu weit. Doch anstelle von Zorn spürte sie nur, wie verletzt sie war.
Nicole verließ ihre Suite nicht. Sie wartete ängstlich auf die Rückkehr ihres Gatten nach Clayborough und hoffte, er würde dann ruhiger und ansprechbarer sein. Sie war fest entschlossen, das durch sie entstandene Unheil wieder gutzumachen, und auch ihre Beziehung sollte wieder so werden, wie sie gewesen war. Vor dem Abendessen wollte sie Hadrian wie immer in der Bibliothek treffen, und sie würde ein Muster an Schicklichkeit und Anstand sein. Und wenn er sich nicht umstimmen ließ, wenn er nicht bereit war, das, was geschehen war, zu vergessen oder zu ignorieren, dann würde sie zu noch stärkeren Mitteln greifen - sie würde sich in sein Bett stehlen und ihn verführen. Eine Nacht voller Leidenschaft würde ihn sicher von seinem Zorn abbringen.
Der Plan war simpel. Doch sie betete trotzdem, dass sie ihn nicht umsetzen musste, dass Hadrian, wenn er nach Hause kam, besser gelaunt und bereit sein würde, ihr zu vergeben.
Das Warten kam ihr wie eine Ewigkeit vor, doch als sie auf die Uhr schaute, war noch nicht einmal eine Stunde vergangen. Von Ungewissheit erfüllt saß Nicole in ihren Zimmern, ihr Herz fühlte sich an wie ein Mühlstein. Würde er sie besuchen? Würde er nicht kommen, um es ihr zu sagen, wenn er die drei Landstreicher gefasst hatte? Dann hätte sie Gelegenheit, seine Laune einzuschätzen, bevor sie sich in der Bibliothek trafen. Diese Ungewissheit, dieses Warten war einfach unerträglich.
Aber er kam nicht. Sie hörte, wie er seine Gemächer betrat, die neben den ihren lagen. Sie wartete. Lauschte auf die Geräusche, die aus seinen Räumen herüberdrangen. Sie konnte nicht genau ausmachen, was er tat, doch er schien sich umzuziehen. Für kurze Zeit stieg ihre Hoffnung, als sie dachte, er mache sich bereit, um sie in der Bibliothek zu treffen, doch dann sank sie abrupt. Denn sie hörte, wie er seine Suite verließ, allerdings nicht in Richtung ihrer Tür, sondern den Korridor
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