Rebellin der Leidenschaft
Herzog anzukleiden. Zum Glück waren Vater und Bruder schon unterwegs, so dass sie ihre ungewöhnliche Erscheinung nicht kommentieren oder sie fragen konnten, wo sie in ihrem Sonntagsstaat hinwolle. Eigentlich begleitete sie die anderen ja stets, aber heute war es ihr gelungen zu schwindeln und Kopfschmerzen vorzutäuschen. Die beiden Männer hatten sie skeptisch betrachtet, und Chad hatte sogar lauthals gelacht.
»Du?«, hatte er ungläubig gefragt. »Du hast Kopfschmerzen?« Noch immer lachend war er mit dem Vater davon geritten; Nicole hätte ihn am liebsten erwürgt.
Kurz nach zwölf Uhr traf sie in Chapman Hall ein. Sie hatte einfach nicht länger warten können. Noch bevor sie abgestiegen war und ein Lakai die Zügel übernommen hatte, kam der Herzog aus dem Landhaus, so, als hätte er schon auf sie gewartet.
Nicole schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, doch seine Miene blieb streng und unbeeindruckt. Einen kurzen Moment lang befiel sie ein leichtes Unwohlsein, doch dann dankte sie dem Lakaien und glitt anmutig zu Boden. Leicht verwundert bemerkte sie, dass der Herzog den Lakai entließ und ihm sagte, ein Pferdeknecht sei nicht notwendig. Warum ließ er nicht sein Pferd kommen, wenn sie heute wieder ausreiten wollten?
Ernüchtert und mit schwindender Freude stellte sie fest, wie hart und verschlossen sein Gesicht war. In seinen Augen lag keine Wärme, als er sie schließlich betrachtete. »Ist etwas Schlimmes passiert?« fragte sie, während ihr Herz verunsichert pochte.
»Das fürchte ich«, sagte er streng. »Offenbar muss ich mich inständig bei Ihnen entschuldigen. Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen, auch wenn er nicht so schrecklich war, wie er möglicherweise hätte sein können.«
»Was - was für einen Fehler denn?«, stotterte sie. Ihr Herz schnürte sich zusammen. Wollte er damit etwa sagen, dass er sich in seinen Gefühlen für sie geirrt hatte? Nein, so konnte er es nicht gemeint haben, das wusste sie ganz genau.
Seine Züge verhärteten sich. »Es war mir nicht klar, dass Sie nicht verheiratet sind.«
Anfangs begriff Nicole überhaupt nichts. Es war ihm nicht klar gewesen, dass sie nicht verheiratet war? Was wollte er damit sagen? Ganz allmählich dämmerte ihr die schreckliche Erkenntnis. Dennoch fragte sie ihn noch einmal ganz direkt: »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass Sie verheiratet sind.«
»Sie hielten mich für eine verheiratete Frau?«, konnte sie nur noch einmal wiederholen.
Er erwiderte nichts.
Er hatte sie für eine verheiratete Frau gehalten! In diesem Fall konnte er nicht die Absicht gehabt haben, ihr den Hof zu machen. Sie starrte ihn entgeistert an. »Aber - aber Sie haben mich doch geküsst!«
Ungeduldig trat er von einem Bein auf das andere. »Sie können doch nicht so naiv sein zu glauben, ein Mann würde eine Frau nicht küssen, nur weil sie verheiratet ist!«
Endlich begriff sie die grausame Wahrheit: Er hatte sie für verheiratet gehalten - er hatte überhaupt nicht vorgehabt, um ihre Hand anzuhalten. Er hatte gedacht, sie sei verheiratet, und nicht nur das, nein, er hatte geglaubt, sie gehöre zu einer bestimmten Sorte verheirateter Frauen, nämlich zu denen ohne Moral. Er hatte ihr nicht den Hof gemacht, alles, nur das ganz sicher nicht. Er hatte sie einfach nur nehmen wollen, wie er es selbst gesagt hatte. Schmerz, Wut, Entsetzen stürmten auf sie ein, so heftig, dass es ihr den Atem verschlug. Er hatte sich nur mit ihr amüsiert!
Ihre Träume stürzten wie ein Kartenhaus zusammen und lösten sich zu ihren Füßen in Staub auf.
»Es tut mir Leid. Ich weiß, dass ich in Ihren Augen nun sehr gemein wirken muss, aber offen gestanden bieten sich mir immer wieder verheiratete Ladys an, und ...«
»Ich habe mich Ihnen nicht angeboten!«, schrie Nicole völlig außer sich und den Tränen nahe.
»Dann habe ich mich von Ihrem Auftreten täuschen lassen. Selbstverständlich dürfen Sie von nun an nicht mehr hierher kommen, Lady Shelton!« Noch einmal tauchte sein Blick in den ihren, dunkel und unergründlich.
Nicole war starr vor Entsetzen und so verletzt, dass ihr die Worte fehlten. »Selbstverständlich«, brachte sie schließlich mühevoll, mit einem schwachen Abglanz ihres früheren Mutes heraus. »So dumm, noch einmal hierher zu kommen, kann selbst ich nicht sein. Sie werden mich nie wieder sehen, darauf können Sie sich verlassen!«
Sie entriss ihm die Zügel, und noch bevor er ihr dabei behilflich
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