Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Überprüfung seiner Ergebnisse keine rechtsmedizinischen Versuche angestellt. Erst als der Sachverständige Prof. Dr. Brinkmann, dessen Befangenheit zu besorgen die Staatsanwaltschaft mit Erfolg vorgegeben hat, die Anordnung seiner Versuche und deren in einer Lichtbildmappe dokumentierte Ergebnisse als Zeuge erläutert hatte, meinte auch der abgelehnte Sachverständige nicht zurückstehen zu können und stellte eben Versuche an.
Bei der Schilderung des von ihm Unternommenen berichtete er auch von dem – misslungenen – Versuch, durch Manipulationen mit dem Messerrücken am Hals der Nebenklägerin eine ähnliche Spur wie die hier interessierende hervorzurufen. Den Umstand, dass die Nebenklägerin bei dieser Gelegenheit in Tränen ausgebrochen sei, weshalb er den Versuch abgebrochen habe, versuchte er beharrlich auf deren Erinnerung an die angebliche Tat zurückzuführen, und ließ sich erst nach der wiederholten Rüge der Verteidigung, das Verfahren nicht mit dem Bekunden fremdpsychischer Tatsachen zu belasten, davon abhalten, der Kammer seine alternativlose Sicht des Verhaltens der Nebenklägerin nahezubringen.
Dass die Nebenklägerin, die schon die auch für sie selbst unübersehbaren Hämatome an ihren Oberschenkeln andere hatte entdecken lassen, ihn benutzen könnte, um die Kammer in ihrem Sinne zu beeinflussen, konnte oder wollte sich dieser Sachverständige offenbar nicht vorstellen.
[…]
II.
[…]
1. Spätestens dank der Unterrichtung durch seine beiden Verteidiger weiß der Angeklagte, dass der deutsche Strafprozess sich vom Verfahren angelsächsischen Typs nicht nur durch Art und Umfang der Laienbeteiligung, sondern vor allem durch die der Staatsanwaltschaft zugewiesene Stellung unterscheidet, die namentlich im Ermittlungsverfahren der des Richters ähnelt. Der Angeklagte weiß auch, dass jeder Sachverständige sein Gutachten unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten hat und es deshalb Sachverständige der Staatsanwaltschaft so wenig gibt wie Sachverständige der Verteidigung und der gegenteilige Eindruck strafprozessualer Laien nur die Folge der besonderen Anforderungen ist, an die § 244 Abs. 4 StPO den Anspruch eines Beteiligten an die Ladung weiterer Sachverständiger durch das Gericht knüpft.
2. All dies vorausgeschickt, muss der Angeklagte nicht verständiger sein als die Staatsanwaltschaft.
a) Erweist sich diese dem Verlust ihrer Verfahrensherrschaft durch die Anklageerhebung nicht gewachsen und führt sich danach auf wie eine auf ein für den Angeklagten nachteiliges Verfahrensergebnis fixierte Partei, so wird jeder Sachverständige, den sie unter Missachtung des Verfahrensfortschritts immer noch als den ihren behandelt, durch diese Fehlhaltung kontaminiert. Dass die Staatsanwaltschaft ihre Rolle in dieser Sache als die einer Partei missversteht, kann dem Sachverständigen Prof Dr. Mattern nicht entgangen sein.
Ein Sachverständiger, der von einem der Sitzungsvertreter noch bei Beginn der Hauptverhandlung als ›Sachverständiger der Staatsanwaltschaft‹ bezeichnet wird, wird aus der maßgeblichen Sicht des Angeklagten bestrebt sein, die Erwartungen dieser Behörde nicht zu enttäuschen und ihr einen deren Ansehen mindernden Verfahrensausgang zu ersparen.
b) Bei seiner Interpretation der Verletzungen der Nebenklägerin hat der Sachverständige sich nicht nur dadurch von dem Gutachtenauftrag entfernt, dass er der Kammer mit dem Knien des Angeklagten auf der Innenseite der Oberschenkel ein von der Nebenklägerin nicht geschildertes Geschehen zugrunde gelegt hat. Darüber hinaus hat er die Angaben der Nebenklägerin zum Entstehen der Halsverletzung gegenüber der Sachverständigen Prof. Dr. Greuel ausgeblendet und sich an die Angaben gehalten, mit denen die Nebenklägerin auch für ihn erkennbar ihre Aussage seinem Gutachten angepasst hat.
[…]
d) Von einem rechtsmedizinischen Sachverständigen dürfen die Beteiligten erwarten, dass er sich nicht zu Deutungen hinreißen lässt, die er nicht vermöge eigener Sachkunde vornimmt. Ein erfahrener Rechtsmediziner, der als Zeuge sogenannte Zusatztatsachen, also solche Umstände schildert, zu deren Wahrnehmung es keiner Sachkunde bedarf, weiß, dass er sich in diesem Zusammenhang der Bekundung fremdpsychischer Tatsachen zu enthalten hat, zumal solcher, die, wenn sie wahr wären, den Anklagevorwurf stützen könnten.
Fühlt sich ein Sachverständiger noch nach der Beanstandung einer solchen Äußerung gedrängt, solche
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