Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
Kollegen von Meteomedia zu erklären versucht, dass ich den ganzen Scheiß, der noch vor mir lag, aushalten wolle und könne.
Immerhin wurde ich bei meinem Besuch in der Schweiz, der gerade mal achtzehn Stunden dauerte, nicht ein einziges Mal fotografiert, obwohl auch meine Mutter seit der Freilassung steter Belagerung anheimfiel. Deshalb besuchte ich sie morgens um fünf Uhr, denn ich hatte gelernt, dass auch deutsche Paparazzi nur Beamte sind, die zwischen zehn und achtzehn Uhr ihren Dienst tun; außerhalb dieser Zeiten ist man relativ sicher. Wie mein späterer Verteidiger Johann Schwenn vor Gericht sagen sollte, handelt es sich eben um Pack, aber – schließlich sind wir in Deutschland, mit Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Brückentagen – um faules Pack.
My Boys
Die nächste große Herausforderung in Sachen Paparazzi war der Flug zu meinen Kindern. Ich probierte den Weg von Kopenhagen über London nach Calgary und kam zu meiner Überraschung ohne Probleme und komische Fragen ins Land. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung ist es nämlich oft anstrengend, nach Kanada einzureisen. Viele Beamte an den Flughäfen gehen tendenziell von kriminellen Absichten des Einreisenden aus (und konnten es zu Zeiten, als ich noch in Kanada gemeldet war, meistens auch nicht besonders leiden, wenn man das Land verließ), und so hatte ich mich mit Bestätigungen in Sachen meiner Freilassung munitioniert. Ich hatte riesige Angst davor, nicht ins Land gelassen zu werden; das hätte mir und meinen Kindern das Herz gebrochen.
Der kanadische Botschafter in Berlin, den ich im Vorfeld der Olympischen Spiele kennengelernt hatte, versuchte mir Mut zuzusprechen, aber garantieren konnte auch er nichts, denn wer ins Land darf und wer nicht, liegt ganz im Ermessen des kanadischen Beamten bei der Einreise. Ich änderte vorsichtshalber noch den Zielflughafen von Vancouver nach Calgary, weil mir dort die Behandlung der einreisenden Menschen immer einen Tick freundlicher und menschlicher vorgekommen war als weiter westlich. Als ich ohne irgendwelche Besonderheiten durch war, war ich zum ersten Mal seit langer Zeit so etwas wie glücklich. Ich würde meine Kinder sehen, und ich rief sie noch vom Gepäckband aus an.
Als ich die Jungs bei ihrer Mutter abholte, hingen die Paparazzi (deutsche Medien lassen sich offenbar auch bei Auslandseinsätzen nicht lumpen) schon in den Bäumen, und als ich auf mein Grundstück fuhr, rannten sie sofort aus dem Gebüsch – allerdings nicht auf das Grundstück, davor hatten die Häscher dann doch Bammel. In den USA hatte ich bei all meinen Aufenthalten seit der Freilassung immer meine Ruhe, weil selbst der dümmste deutsche »Journalist« zu wissen schien, dass ein Unbekannter auf einem fremden Grundstück in dörflichen Gegenden im Mittleren Westen möglicherweise den nächsten Bambi-Event nicht mehr erleben wird. Wahrscheinlich bin ich der Einzige dort ohne Knarre; ich besitze zwar eine, aber die wohnt in der Schweiz, und ich habe nicht vor, von ihr Gebrauch zu machen, solange keine fremden Mächte die Schweiz erobern wollen, ich diese abwehren soll und mich die Schweizer Armee zu diesem Behuf mit Munition ausrüstet.
Aber Kanada ist nicht die USA , und so verfolgten uns die Paparazzi auf Schritt und Tritt. Als ich einmal bei einer Rast kurz das Auto verließ, sprangen sie mir schon wieder entgegen und stellten irgendwelche dummen Fragen. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn die Leute, die über den Atlantik fliegen, um einem unschuldigen Menschen mit seinen Kindern aufzulauern, wenigstens eine im weitesten Sinne empathische Frage stellen oder nur schon vom Ton her versuchen würden, menschliche Regungen zumindest vorzutäuschen. Nein, sie haben alle diesen seltsam lauten fordernden Tonfall drauf, den der investigative Journalist für angemessen hält, wenn er den lange gesuchten Rosstäuscher auf frischer Tat ertappt: Stimme immer oben, Fragen kurz hintereinander rausbellen, eine Antwort gar nicht erst abwarten und sich offensichtlich daran laben, wie der Gescheuchte vor Aufregung zitternd ins Auto steigt, seinen verängstigten Kindern erklärt, dass das alles nichts zu bedeuten habe, auch wenn sie nicht mehr weiteressen durften, sondern sich anschnallen sollten, weil wir jetzt schnell weiterfahren müssten.
Ich habe noch niemanden gehasst. Ich habe wahrheitsgemäß in den beiden Interviews mit der Zeit und der Weltwoche gesagt, dass ich die Nebenklägerin trotz ihrer Falschanzeige
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