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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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begrüßen.
Leider bin ich etwas zu spät erschienen, was damit zusammenhing, dass mir ein Jungspund
mit Sommerreifen auf seinem alten Golf in die Seite gekracht ist. Deshalb«, fuhr
er lachend fort, »könnte es sein, dass ich in der nächsten Zeit die Dienste eines
guten Anwalts für Verkehrsrecht in Anspruch nehmen muss, aber daran mangelt es unserer
Runde ja gottlob nicht.«
    Er zog genüsslich an seiner Zigarre. »Der Herr mit dem schönen muselmanischen
Namen, den ich schon wieder vergessen habe, bestand auf das Hinzuziehen der Polizei,
weil er der Meinung war, dass ich ihm die Vorfahrt genommen habe, was jedoch Unsinn
ist. Also, langer Rede kurzer Sinn, deshalb bin ich erst angekommen, als der erste
Gang des wie immer vorzüglichen Menüs schon auf dem Tisch stand.«
    Ein weiterer Zug, gefolgt von einem formvollendeten Rauchring, der
sich wie in Zeitlupe von ihm wegbewegte. »Und nun, da wir alle satt und zufrieden
sind, ist es mir eine große Ehre, unserem langjährigen Mitstreiter Peter Wiotas
unsere Glückwünsche zu seinem 60. Geburtstag auszusprechen.« Er wandte sich an einen
braun gebrannten, drahtig wirkenden Mann am anderen Ende der Tafel. »Dir, Peter,
alles erdenklich Gute von uns allen, und noch viele Jahre als geschätzter Anwalt
und honoriger Notar in unserer Stadt. Immerhin hast du noch ein paar schöne Jahre
vor dir, bevor du dich dem Diktat des Alters unterwerfen musst.«
    Von allen Seiten brandete Beifall auf.
    »Keinesfalls will ich aber unterschlagen, dass du mir, als ich noch
Staatsanwalt war, als junger Strafverteidiger in so mancher Schlacht das Leben zur
Hölle gemacht hast. Aber diese Zeiten sind ja glücklicherweise lange vorbei. Und
so erhebe ich mein Glas auf dich und wünsche dir, zusammen mit allen Kollegen hier
im Raum, Gesundheit, erholsame Tage auf deinem Segelboot, und immer solvente Mandanten.
Und natürlich noch viele schöne Jahre mit deiner charmanten Gattin Eva.«
    Er nahm einen Schluck Cognac auf den Jubilar. »Alles Gute, Peter.«
     
    Etwas später, die Runde hatte sich merklich verkleinert, saßen ein
paar Männer und eine Frau etwas abseits der anderen, unterhielten sich, rauchten
und genossen den hervorragenden Wein.
    »Du bist mir letzte Woche ganz schön auf den Keks gegangen, Uschi«,
flachste einer der Herren.
    »Wegen der Sache mit diesem komischen Anbau, ich weiß«, gab Ursula
Pickburg, Fachanwältin für Bau- und Mietrecht, gespielt zerknirscht zurück. »Aber
es war nicht persönlich gemeint. Allerdings ist mir deine Mandantschaft schon ziemlich
bescheuert vorgekommen. Ich hatte vom ersten Augenblick einen echten Hals auf sie.«
    »Und ich erst«, bestätigte Guido Wimmer, ein Kollege aus dem gleichen
Fachgebiet. »So blödes Volk erlebst du wirklich selten. Obwohl«, gab er zu, »was
sich in den letzten Jahren so alles in meine Kanzlei verlaufen hat, da kann es einen
schon manchmal grausen. Ich muss dann immer daran denken, dass es für die Ausbildung
der Kinder ist, sonst würde ich dieses Volk wohl kaum aushalten.«
    Die beiden vertieften sich in den Fall, den sie vor Gericht für die
jeweiligen Parteien vertreten hatten, und nahmen keine Notiz von zwei anderen Juristen,
die kurz nacheinander aufgestanden waren und sich in eine Ecke zurückgezogen hatten.
    »Gibt’s was Neues in meiner Sache?«, fragte Dr. Justus Gebauer seinen
Kollegen Ewald Limbourg.
    Der junge Staatsanwalt sah verlegen zu Boden. »Es tut mir leid, Herr
Gebauer, aber im Augenblick kann ich rein gar nichts für Sie tun. Mein Chef schaut
mir seit der Sache mit dem Türken dermaßen genau auf die Finger, dass ich nicht
mal schnäuzen kann, ohne dass er davon erfährt.«
    Limbourg sprach den Fall eines türkischstämmigen Bankrotteurs an, der
ein paar Monate zuvor durch die Kasseler Gazetten gegeistert war. Der Mann war der
Justiz durch die Lappen gegangen und hatte sich in die Türkei abgesetzt, weil Limbourg,
nach offizieller Darstellung, den Haftbefehl zu spät beantragt hatte.
    »Aber das hat doch gar nichts mit meiner Sache zu tun, Limbourg. Hier
geht es um eine Kleinigkeit im Verkehr. Eine noch nicht einmal bewiesene Kleinigkeit
übrigens.«
    »Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist alles andere als eine Kleinigkeit,
wenn ich das mal so sagen darf, Herr Gebauer. Immerhin gibt es einen Zeugen, und
das macht die Sache so überaus kompliziert.«
    »Ich will mit Ihnen nicht die Komplexität des Falles besprechen, sondern
von Ihnen hören, dass die Sache erledigt ist. Dieser Zeuge ist

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