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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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worden war. Doch am Vortag
hatte es ein Meeting gegeben, während dem man sich im Team geeinigt hatte, den Vorgang
so professionell wie möglich zu handhaben und die OP durchzuführen.
     
    Nachdem er aus dem Aufwachraum in sein Zimmer verlegt worden war und
die Wirkung der Narkose nachgelassen hatte, bekam Schmitt Schmerzen, sehr starke
Schmerzen sogar. Er hatte sich immer für einen ganz harten Jungen gehalten, aber
an diesem Nachmittag wünschte er sich, noch deutlich härter zu sein, oder ein stärkeres
Schmerzmittel zu bekommen, doch dieses Verlangen wurde für eine nach seiner Meinung
viel zu lange Zeit nicht erfüllt. Er hatte bis halb sechs am Abend fünf Mal geklingelt
und darum gebeten, eine weitere Dosis des Schmerzmittels zu bekommen, das man ihm
verabreicht hatte, oder, noch besser, gleich etwas, das ihn, wie er es nannte, voll
aus dem Verkehr ziehen würde.
    Krankenschwestern und Krankenpfleger sind auch nur Menschen, daran
ändert auch die Tatsache nichts, dass es ihr Beruf ist, anderen so gut wie möglich
zu helfen. Dieser Ansatz galt natürlich auch für den Patienten Gerold Schmitt, aber
wie in allen Organisationen gehen die Laufwege manchmal schneller, manchmal langsamer.
Im Fall des Glatzkopfes von Zimmer 213 waren die Laufwege extrem langsam. Manchmal
an diesem Nachmittag ging auch gar niemand für Gerold Schmitt. Dieses Verhalten
war nicht abgesprochen, so wie es im Pflegeteam nicht abgesprochen war, sich bei
der Auswahl der schmerzstillenden Medikamente am unteren Ende der möglichen Wirksamkeitsskala
zu orientieren. Es war auch nicht abgesprochen, diese für die Wundschmerzen des
frisch operierten Patienten eher harmlosen Medikamente in absolut minimaler Dosierung
zu verabreichen.
    Natürlich hatte man sich auf der Station über den Mann von Zimmer 213
ausgetauscht, auch darüber, dass er einer derjenigen war, die wegen des brutalen
Überfalls auf die Gruppe junger Leute am Neuenhainer See verurteilt worden waren,
bei der das 13-jährige Mädchen beinahe ihr Leben gelassen hätte. Weil die meisten
der Pfleger und Schwestern selbst Kinder hatten, um die sie sich immer dann die
größten Sorgen machten, wenn sie eines der Feste in der Stadt oder eine Kirmes im
Kreis besuchten, bei denen immer mit einem Angriff der Freien Gruppe Schwalm-Eder
zu rechnen war, hatten sie, jeder für sich, ihre ganz privaten Konsequenzen gezogen,
was nichts anderes bedeutete, als dass Gerold Schmitt den wohl schlimmsten Nachmittag
seines Lebens verbrachte und lernte, was es bedeutete, Schmerzen zu erleiden. Dann,
um kurz nach sieben, war einer altgedienten Schwester, die kurz vor der Pensionierung
stand, das Gejammer des bulligen Mannes zu viel geworden. Sie hatte ihm einen langen,
harzigen Vortrag über das Geben und Nehmen im Leben gehalten, den Schmitt mit zusammengekniffenen
und feuchten Augen über sich ergehen ließ, und ihm danach eine garantiert wirksame
Dosis eines starken Schmerzmittels in den Oberschenkel injiziert. Kurze Zeit später
war der Patient mit glasigen Augen in einen für ihn zutiefst angenehmen, schmerzfreien
Dämmerzustand gefallen, in dem er sich um kurz nach zehn noch immer befand, als
die Tür des Krankenzimmers geöffnet wurde und mit schnellen Bewegungen eine Gestalt
hereinschlüpfte.
    Schmitt hatte gerade einen schönen Traum gehabt, an dessen Ende er
sich mit der Frau des Kameraden, die er im Suff gevögelt hatte, auf einer Harley
Davidson aus dem Staub machte. In eine bessere Zukunft, irgendwohin. Wo genau, daran
konnte er sich nicht mehr erinnern. Er fasste sich zwischen die Beine und fing an
zu grinsen, als er eine monströse Erektion spüren konnte.
    Na bitte, wenigstens das geht noch, dachte er, bevor er wieder in die
Welt zwischen Wachen und Schlafen eintauchte. Von der Tatsache, dass außer ihm noch
jemand im Zimmer war, hatte er nichts mitbekommen.
    Die drahtige Person, die sich nun im schummrigen Dämmerschein der Notbeleuchtung
dem unteren Ende des Bettes näherte, trug eine dunkle Lederjacke, schwarze Jeans
und schwarze, mattglänzende Sportschuhe, doch all das ging völlig an Gerold Schmitt
vorbei, weil der schon wieder die Frau, die es angeblich so faustdick hinter den
Ohren hatte, fickte. Diesmal trieben sie es an einem Strand, und in seinem Traum
konnte er deutlich das Branden der Wellen hören, obwohl er noch nie in seinem Leben
das Meer gesehen, geschweige denn die dazugehörige Brandung gehört hatte.
    Er bekam nicht mit, dass die Gestalt in die Tasche der Lederjacke

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