Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
zwar groß und kräftig, ließ sich aber dennoch nicht auf einen Kampf mit dem Adler ein. Im schnellen Lauf schwang sie sich durch ein Fenster im Erdgeschoss, indem sie den Speerschaft als Sprungstab einsetzte. Als sie hinausspähte, sah sie, wie Argulor in einem großen Bogen wieder zu seinem Ausguck zurückflog: Für einen Pfeil war er längst außer Reichweite.
Die Wildkatzenkönigin war nur froh, dass niemand Zeuge ihres Rückzugs geworden war.
15
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Tschipp, der Rotkehlchenmann, beobachtete, wie eine kleine Abordnung von Waldbewohnern aus nördlicher Richtung anmarschiert kam. Er hatte keinen Zweifel daran, dass er es war, den sie besuchen wollten. Sie hatten nämlich Essen dabei. Wenn sie nicht zu ihm wollten, weshalb würden sie dann mit Beuteln voller kandierter Nüsse in Mossflower herumwandern?
Tschipp war anders als andere Vögel. Seinem kleinen dicken Bäuchlein zuliebe hatte er alle Schranken fallen lassen. Gier war das einzige Motiv dafür, dass er sich mit seinen Fähigkeiten als Spion in den Dienst anderer stellte – Gier verbunden mit Klugheit. Es stand allerdings außer Frage, dass Tschipp jemals für Kotir arbeiten würde, denn er hatte schon mehrfach auf dem Speiseplan irgendwelcher Wiesel und Konsorten gestanden und war dem Tode jedes Mal mit Mühe und Not von der Schippe gesprungen.
Die Waldbewohner machten nur dann von Tschipps Diensten Gebrauch, wenn es einen triftigen Grund dafür gab – manchmal, um ein vermisstes Junges aufzufinden, noch häufiger allerdings, um herauszufinden, was in anderen Teilen des Waldes vor sich ging. Tschipp war aber auch nicht gerade billig. Die Vorliebe des dicken Rotkehlchens für kandierte Nüsse grenzte schon an wahre Leidenschaft.
Er betrachtete die unter ihm herannahende Gruppe: Martin, Lady Ambra und Columbine, eine junge Maus aus Loamhedge, gingen an der Spitze; Gonff und der Maulwurf Billum, die beide kleine Borkentuchbeutel mit kandierten Nüssen trugen, folgten ihnen. Tschipp konnte seine leuchtenden Augen nicht mehr von dem Beutel abwenden, den Gonff immer wieder spielerisch mit seinen Pfoten hochwarf.
»Kandierte Nüsse, was, Billum? Wozu sie für so ein kümmerliches bisschen Spionieren dem alten Tschipp in den Rachen werfen? Warum verputzten wir beide sie eigentlich nicht gemeinsam? Ich wette, das Spionieren könnten wir mit Leichtigkeit selbst in die Hand nehmen.«
Als Gonff den Beutel wieder hochwarf, schnappte der verantwortungsbewusste Maulwurf ihn sich aus der Luft. Er zog sein samtenes Gesicht in Falten und gab ein tiefes, kehliges Lachen von sich.
»Ho, harr, harr! Koi Wundr, doss se mi g’schickt haba duat, um auf Eu aufz’passa, Yi duat a Schlingl seia, Meistr Gonff. Duat Eur Pfota von d’ Nüss fern halta odr i werd Fra Bella dvo erzähla.«
Mit gespieltem Entsetzen warf Gonff seine Pfoten in die Luft und beeilte sich Martin einzuholen, bei dem er sich laut beschwerte: »Billum hat vielleicht Nerven! Nicht einmal mir traut er, dem ehrlichen alten Gonff, dessen spezielle Aufgabe bei diesem Einsatz darin besteht, gierige Maulwürfe in Schach zu halten. Ich wette, ihr werdet mir noch alle den Hals dafür umdrehen, dass ich versuche die Nüsse sicher zu verwahren. Heutzutage gibt es offenbar keinen Platz mehr für einen ehrlichen Dieb.«
Martin kicherte, während er Columbine aus dem Augenwinkel betrachtete.
Die hübsche junge Feldmaus lachte fröhlich, sie war von Gonffs spitzbübischem Charme ganz offensichtlich entzückt. Martin ermutigte sie, indem er gelegentlich die eine oder andere Bemerkung zu Gunsten seines Freundes machte.
»Nehmt Euch in Acht vor dem Burschen, Columbine. Er ist kein Mitglied Eures Ordens. Wenn Ihr nicht aufpasst, stiehlt Gonff Euch die Schnurrhaare unter Eurer Nase weg.«
Columbines Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Das würde er wirklich tun?«
Gonff zwinkerte Martin zu. Dann schlug er plötzlich ein Rad, wobei er direkt vor Columbine über den Weg sauste, und zwar so dicht, dass er fast ihr Gesicht berührte. Mit einem erschreckten Quietschen schlug sie schützend ihre Pfoten vors Gesicht. Martin schüttelte ernst den Kopf.
»Wisst Ihr, man nennt Gonff nicht ohne Grund den König der Mäusediebe. Habt Ihr Eure Schnurrhaare gezählt?«
Columbine fuhr mit ihren Pfoten über ihr Gesicht und ließ sie dann mit einem Lächeln wieder fallen. »Was ihr nicht sagt, ihr beiden!«
Gonff verbeugte sich und hielt zwei dünne Haare hoch. »Was glaubt Ihr denn, was das hier ist, oh kluge
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