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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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mit den Jahren vieles verändert. Ganze Straßenzüge waren offenbar dem Bau größerer Straßen zum Opfer gefallen. Kleine übriggebliebene Häuserblocks standen da wie einsame Inseln, abgeschnitten. Kinos hatten zugemacht. Asienläden waren eingezogen. Die Busse sahen wie früher aus.
    Buslinien.
    Die Busse riefen Erinnerungen wach. Das Haus, nach dem ich suchte, war das dritt- oder viertletzte in der Straße, und gleich um die Ecke war eine Bushaltestelle gewesen. Ich war oft mit dem Bus gefahren, war an dieser Haltestelle eingestiegen.
    Wohin war ich gefahren?
    Zum Fluß, um dort spazierenzugehen.
    Die Erinnerung kehrte ruhig über mehr als zehn Jahre zurück. Wir waren nachmittags zum Fluß losgezogen, um uns die Hausboote, die Möwen und den Schlick anzusehen, wenn Ebbe war; und wir hatten zu den Kew Gardens hinübergeschaut.
    Ich fuhr zur Kew Bridge, wendete und fing dort an, indem ich Bussen nachfuhr.
    Ein langwieriges Geschäft, weil ich anhielt, wenn die Busse anhielten. Außerdem unergiebig, weil keine einzige Haltestelle in der Nähe einer Straßenecke zu liegen schien. Nach einer Stunde gab ich es auf, einfach so herumzukreuzen, und fand mich damit ab, daß ich nichts sah, woran ich mich erinnern konnte. Wahrscheinlich hatte ich mich sogar im Stadtteil vertan. Wahrscheinlich sollte ich in Hampstead suchen, wo ich meines Wissens auch gewohnt hatte.
    Schließlich half mir ein Pub weiter. Das Willing Horse. Ein altes Wirtshaus. Dunkelbraun gestrichen. Milchglasfenster mit filigranen Mustern an den Rändern. Ich parkte gleich um die Ecke, ging zu der schokoladenbraunen Tür zurück und blieb einfach stehen und wartete.
    Nach einer Weile meinte ich zu wissen, welchen Weg ich einschlagen mußte. Links abbiegen, dreihundert Meter gehen, die Straße überqueren, dann bei der ersten Abzweigung rechts.
    In der Straße, in die ich einbog, hatten alle Häuser die gleichen runden Erker, sie waren dreistöckig, schmal und typisch. An beiden Straßenrändern parkten Autos, aus vielen Vorgärten hatte man Parkplätze gemacht. Ein paar kahle Bäume wuchsen in Erdflecken am Rand des Bürgersteigs, und Hecken und Büsche an den Häusern. Vor jeder Eingangstür war eine kleine Plattform, zu der drei Stufen hinaufführten.
    Ich überquerte die Straße und ging langsam den Bürgersteig entlang, aber der Schwung war weg. Nichts verriet mir, ob ich mich auf dem richtigen Weg befand oder mit welchem Haus ich es versuchen sollte. Ich ging langsamer, unentschlossen, was ich als nächstes tun sollte.
    Beim viertletzten Haus bog ich in den kleinen Fußweg ein, ging die Stufen hinauf und klingelte.
    Eine Frau mit Zigarette öffnete die Tür.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Wohnt hier Samantha?«
    »Wer?«
    »Samantha.«
    »Nein.« Sie musterte mich überaus mißtrauisch von oben bis unten und schloß die Tür.
    Ich versuchte es bei sechs weiteren Häusern. Zwei negative Antworten, ein »Hauen Sie ab«, ein »Nein, mein Schätzchen, ich bin Popsy, wollen Sie reinkommen?«, ein »Wir brauchen keine Bürsten« und ein »Ist das eine Katze?« Beim achten Haus beschuldigte mich eine alte Dame, daß ich nichts Gutes im Schilde führe, sie habe mich von Haus zu Haus gehen sehen, und wenn ich nicht damit aufhöre, würde sie die Polizei rufen.
    »Ich suche nach einer gewissen Samantha«, sagte ich. »Sie hat früher hier gewohnt.«
    »Ich habe Sie beobachtet«, sagte sie. »Wenn Sie versuchen, durch irgendein Fenster einzusteigen, rufe ich die Polizei.«
    Ich ging weg von ihrem grimmigen kleinen Gesicht, und sie folgte mir bis auf die Straße, um mir nachzusehen.
    Es hatte keinen Zweck, dachte ich. Ich würde Samantha nicht finden. Vielleicht war sie nicht zu Hause, vielleicht war sie umgezogen, vielleicht hatte sie überhaupt nicht in der Straße gewohnt. Unter dem unheilvollen Blick der Frau versuchte ich es bei einem weiteren Haus, wo niemand aufmachte, und beim nächsten öffnete ein etwa zwanzig Jahre altes Mädchen.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Wohnt hier jemand namens Samantha?« Ich hatte es inzwischen schon so oft gesagt, daß es albern klang. Das ist der letzte Versuch, dachte ich. Ich kann es genausogut aufgeben und nach Hause gehen.
    »Wer?«
    »Samantha.«
    »Samantha was? Welche Samantha?«
    »Das weiß ich leider nicht.«
    Sie schürzte die Lippen, die Sache gefiel ihr nicht recht.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte sie. »Ich sehe mal nach.«
    Sie schloß die Tür und entfernte sich. Ich ging die Stufen zum Vorgarten

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