Regency Reality-Show
ins Internet einzuwählen, als sich die Bürotüre öffnete, war es schon wieder Zeit, mit Grossvater zum Essen zu gehen? Wegen meiner Tagträume verlor ich manchmal den Bezug zur Zeit.
Herein kam eine sportlich gekleidete Frau mit grau meliertem Haar und braunen Augen, mit denen sie mich interessiert musterte. Komisch, zu mir kam sonst niemals ein Unbekannter. Grossvater brachte ab und zu Leute vorbei, von denen er dachte, dass ich sie kennen lernen müsste. Was wollte sie von mir?
„Hallo, darf ich eintreten?“ fragte sie freundlich.
„Wollen Sie wirklich zu mir?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie von mir wollte.
„Sie hielt einen Prospekt vor sich, auf den sie nun runter schaute, als ob sie dort eine Information ablesen würde und wirklich: „Lea Tobler?“ sagte sie in fragendem Tonfall.
„Das bin ich“, gab ich mich geschlagen. Ich erhob mich und wies ihr einen Platz auf der gemütlichen Sitzecke, die ich nur selten nutzte.
„Vielleicht stelle ich mich am besten erst einmal vor: Ich bin Cailin Mclean.“ Herausfordernd sah sie mich an.
Was darauf wohl die korrekte Erwiderung war? Sie wusste schliesslich, dass ich Lea Tobler hiess. Unsicher entschied ich mich für einen förmlichen Händedruck.
„Lea Tobler, freut mich. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Sie nahm meine Hand, die ich ihr entgegenstreckte und hielt sie in ihren beiden Händen fest.
„Im Moment können Sie nichts für mich tun. Aber eines Tages werde ich Ihnen von meinem Mann erzählen, der kürzlich tödlich verunglückt ist. Dann könnten Sie einfach den Geschichten lauschen, die ich zu erzählen habe. Das würde mir enorm helfen. Aber im Moment wollen wir einmal sehen, wie ich Ihnen helfen kann.“
Die arme Frau. Der kürzliche Verlust Ihres geliebten Gatten musste sie etwas durcheinander gebracht haben, dass sie mit ihrem Anliegen zu mir kam, obwohl wir uns überhaupt nicht kannten. Und was sie damit wohl meinte, dass sie mir helfen wollte? Wollte sie mein Büro neu einrichten? Es war mir doch völlig egal, wie es hier aussah. Ehrlich gesagt war mir im Moment sowieso alles egal.
Ich war ein undankbarer, unheilbarer Fall. Da hatte ich den tollsten Mann meiner Träume einige Tage lang von morgens bis abends geniessen können, trug die wunderbarsten Erinnerungen an ihn in mir, hatte einen wahnsinnig lieben neuen Grossvater gewonnen und mit meiner Rolle als Gertrud ein Vermögen verdient und was machte ich – ich versank im Selbstmitleid.
„Sie wollen mir helfen?“
„Ich will Ihnen zeigen, welch toller Mensch mein Sohn ist.“ sagte sie voller Inbrunst.
„Wie bitte? Sie wollen mich mit einem Wildfremden verkuppeln? Haben Sie die dämliche Sendung gesehen und sich gedacht: Die ist es, die angle ich für meinen Herrn Sohn!“ Nun war ich wirklich laut geworden. So etwas war doch schliesslich auch die Höhe – nämlich – und überhaupt.
Entrüstet entzog ich ihr meine Hand und sah sie eine ganze Spur weniger freundlich an.
„Ganz so würde ich es nicht formulieren. Es verhält sich schon etwas komplizierter. Wenn Sie mir fünf weitere Minuten Ihrer Zeit schenken wollen, werde ich Ihnen erklären, wie es zu meinem Besuch hier gekommen ist.“
„Bitte gehen Sie.“ Ich stand auf und schritt zur Tür, um meine Besucherin loszuwerden. Doch diese blieb seelenruhig auf dem Sofa sitzen.
„Bitte gehen Sie!“ Beim zweiten Mal verlieh ich meiner Stimme etwas mehr Nachdruck. Ich war wirklich schlecht in solchen Dingen, denn sie rührte sich immer noch nicht. Grossvater hätte sie mit seinem herrischen Gehabe längst vor die Tür gesetzt. Das war es, ich würde Grossvater als Verstärkung holen.
Ich riss die Türe auf und prallte gegen eine Wand. Erschrocken fuhr ich zurück und sah nach oben, direkt in ein Gesicht mit unendlich blauen Augen, Augen an die ich immerzu denken musste. Sie hatten alle vier dieselben blauen Augen, ging es mir durch den Sinn, bevor ich bemerkte, wie Scott belustigt mit den Ohren wackelte und mich begrüsste: „Hallo Zwerg.“
Scott war hier! Ich strahlte übers ganze Gesicht. „Hallo Pferdeflüsterer – was machst Du denn hier?“
„Och, im Moment habe ich Branche gewechselt. Ich bin jetzt Türsteher.“
„Du? Bei wem denn?“
„Na hier, das sieht man doch.“
„Ok Scott – ich sehe, Du stehst vor meiner Tür. Aber wenn Du vor meiner Türe stehst, macht Dich das noch lange nicht zu einem Türsteher.“ erklärte ich ihm mit geduldiger Stimme, als ob er fünf Jahre
Weitere Kostenlose Bücher