Regenprinzessin (German Edition)
vorbei zur Tür und eilte hinaus. Mit aller mir verbliebenen Kraft schmetterte ich die Tür ins Schloss und sie knallte furchtbar laut. Spätestens jetzt waren alle wach.
Es war mir immer noch egal.
Schnell schloss ich ab. Ich sackte an der Tür zusammen und kauerte mich davor. Ich weinte schon wieder hemmungslos. In mich gekehrt blieb ich dort sitzen. Das Essen war vergessen. Ich befand mich wieder in meinem Elend.
Aufbruch
Ein stechender Schmerz durchzuckte meine Schulter und ich merkte, wie ich langsam zu mir kam. Wo war ich hier? Ach ja, ich lehnte an meiner Tür, an der ich zuvor einfach sitzen geblieben war. Mühsam streckte ich meine Beine, um wieder ein Gefühl in ihnen zu bekommen. Ich war im Sitzen eingeschlafen und nun spürte ich sämtliche Muskeln protestieren. Leise stöhnte ich, als sie sich allmählich entspannten. Ein heftiges Pochen ging durch die Tür und das Holz vibrierte an meinem Rücken. Erschrocken fuhr ich zusammen.
„Gianna?“ Es war Gisell. Ihre Stimme klang gedämpft durch das Holz, ihren gereizten Unterton konnte ich trotzdem deutlich hören. Die hatte mir gerade noch gefehlt. Ich nahm mir vor, sie zu ignorieren. Vorsichtig stand ich auf und schlich zu meiner Kommode.
„Mach die Tür auf. Ich habe dich doch gehört.“ Wieder hämmerte sie gegen die Tür.
Ich beschloss, dass sie sich irrte, ich war nicht da. Zumindest nicht für sie. Um ehrlich zu sein für niemanden. Außer Van. Wie es ihm wohl ging? Und wo er wohl war? Und das wichtigste: Wann würde ich ihn wieder sehen? Bereits jetzt sehnte ich mich nach ihm und seinen tröstenden Worten. Wie sollte ich es nur aushalten Abstand halten zu müssen, wenn auch nur eine Weile. Der Gedanke daran ließ meine Verzweiflung zurückkehren. Ich war allein.
„Du machst jetzt sofort die Tür auf, Gianna!“, keifte meine Schwester und ruckelte an der Klinke.
„Vergiss es.“, flüsterte ich kaum hörbar. Sollte sie sich doch die Hände blutig klopfen. Ihr Gezeter konnte ich jetzt nicht ertragen.
Erschöpft stützte ich mich auf die Kommode und ignorierte beflissentlich mein Spiegelbild. Ich wollte es gar nicht sehen. Mithilfe von Magie füllte ich die Waschschale. Vorsichtig wusch ich mir das Gesicht. Das weckte meine Lebensgeister wieder ein wenig und ich seufzte zufrieden auf.
„Wenn es sein muss, lasse ich die Tür aufbrechen.“, zischte Gisell.
Jetzt reichte es mir. Wie konnte man nur so penetrant sein?
„Versuch es doch.“, gab ich trotzig zurück. Nun kochte sie und schimpfte hinter der Tür.
„Deine Vorgehensweise klingt nicht sehr erfolgsversprechend, Gisell.“, schaltete sich nun eine andere Stimme ein. Grenadine.
„Wir möchten nur mit dir reden, Gianna.“, sagte sie sanft an mich gewandt.
„Klingt eher nach einer Tirade.“, antwortete ich.
„Bitte lass uns herein. Wir machen uns Sorgen um dich.“ Grenadine klang aufrichtig, doch es fiel mir schwer, mich zu überwinden und mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Erst recht nachdem Gisell zuvor so unausstehlich war.
Ich wusste, dass ich mit ihnen würde reden müssen, aber eigentlich hatte ich geplant, mich erst einmal mit Vater auszusprechen und ihn hoffentlich endlich zur Vernunft zu bringen.
„Jetzt mach schon auf.“, maulte Gisell.
Also so schon mal gar nicht.
Auch Grenadine hatte genug von der mürrischen Art unserer Schwester. „Wenn du nichts Konstruktives beizutragen hast, dann tu uns allen doch den Gefallen und halt einfach den Mund.“
Nicht nur mir verschlug es die Sprache, auch Gisell erwiderte nichts. Man konnte an einer Hand abzählen wann Grenadine jemals ausfallend geworden war.
„Bitte Gianna.“, sagte sie nun wieder flehend.
Ihre Reaktion hatte mich so erstaunt, dass ich nachgab und zur Tür ging. Ich drehte den Schlüssel herum und drückte die Klinke herunter, dann ging ich zurück zur Kommode und lehnte mich dagegen. Mit verschränkten Armen wartete ich darauf, dass sie eintraten.
Die Tür wurde einen Spalt weit aufgedrückt und Grenadine trat gefolgt von Gisell ein.
Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen und erstarrte, als sie mich sah. Dann stürmte sie mir entgegen und schloss mich fest in ihre Arme. Ich war völlig verblüfft von ihrer Reaktion und konnte mich nicht rühren. Das hatte sie noch nie gemacht.
„Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht, als du gestern weggelaufen bist.“, flüsterte meine Schwester leise an meinem Ohr. Grenadine lockerte ihre Umarmung und sah mir ins Gesicht.
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