Regina schafft es doch
zurückgedrängt worden…
Daheim in ihrer Werkstatt saß Katrin über einen kurzen Brief gebeugt. Sie las ihn mit gerunzelten Brauen.
„Sehr geehrtes Fräulein Rhode!
Ich weiß mir keinen anderen Rat, als Ihnen zu schreiben. Würden Sie so freundlich sein und mir mitteilen, ob Regina krank ist? Ich höre nichts von ihr. Entweder ist sie krank oder beleidigt, ich weiß fast nicht, was mir mehr weh tun würde. Ist sie aber krank, dann lasse ich ganz einfach für ein paar Tage meinen Arbeitgeber hier im Stich und fahre nach Hause, zu Regina. Seien Sie so gut und antworten sie mir schnellstens.
Ihr Gert Eimer.“
Katrin legte den Brief aus der Hand, zündete sich eine Zigarette an und überlegte. Sollte sie Regina diesen Brief schicken? Nein! Gestern hatte sie einen Brief von ihr bekommen, einen munteren, vergnügten Brief. Es hatte den Anschein, als habe Regina ihren Kummer etwas überwunden. Und diese lächerliche Frage – oder diese lächerliche Vermutung, Regina könnte beleidigt sein! Man stelle sich vor, Regina und beleidigt! Regina konnte traurig sein, abweisend – aber niemals beleidigt, niemals maulig!
Dieser Dummkopf! Ihr erst das Blaue vom Himmel herunterzuschwindeln und dann zu fragen, ob sie beleidigt sei!
Katrin wurde immer wütender, je mehr sie nachdachte. Und nachdem sie sich in eine richtig gesunde und waschechte Wut hineingesteigert hatte, nahm sie den Kugelschreiber und schrieb:
„Sehr geehrter Herr Eimer!
Regina ist nicht krank, aber sie ist aus der Stadt verzogen. Ihr geht es gut, sie arbeitet fleißig und möchte nicht gestört werden. Besten Gruß
Katrin Rhode.“
Gert war wütend, und er war unglücklich.
So etwas von Brief! Zwei lächerliche Zeilen, daß Regina aus der Stadt verzogen sei! Der Kuckuck hole diese beiden Mädels, die hingen wie die Kletten zusammen, und Katrin hetzte Regina natürlich auf! Nein, diese Künstler! Nur weil seine winzig kleine Flunkerei einer Arbeit von Regina galt, nur deshalb hatte sie zusammen mit Katrin eine Riesengeschichte daraus gemacht! Ja, daß Regina als Künstlerin ehrgeizig und sensibel war, das wußte er. Und er war fest davon überzeugt, wenn diese kleine, unbedeutende Lüge etwas anderem gegolten hätte, dann hätte Regina über ihn gelächelt und den Kopf geschüttelt; Schluß damit.
Nein, alles hatte seine Grenzen, auch der Stolz eines Künstlers auf seine Werke.
Aber wo war Regina? Wo um Himmels willen war sie?
Plötzlich kam Gert ein Gedanke.
Sie sollte doch wohl nicht… sie hatte ja gut an ihrem „Fackelträger“ verdient, ob sie nun… wie hieß doch ihr Professor in Wien? Tausing, ja richtig, Tausing, Wien. Es war eine ziemlich unvollständige Adresse – aber Bildhauer Professor Tausing, das war schon besser – , halt mal, ein Telefonbuch von Wien – , das mußte es doch im Österreichischen Konsulat geben, dort mußte er doch Hilfe bekommen können?
Am nächsten Abend hatte Gert Professor Tausings Adresse. Und er fragte an, ob der Herr Professor ihm vielleicht behilflich sein könnte, eine frühere Schülerin ausfindig zu machen, Fräulein Regina Frank – ob sie vielleicht bei ihm in Wien studiere?
Nach wenigen Tagen schon kam eine kurze, höfliche Antwort vom Professor. Nein, Fräulein Frank sei nicht in Wien. Soviel der Professor wußte, sei sie in ihre Geburtsstadt in Norddeutschland zurückgekehrt, die Adresse sei…
Und dann kam die Adresse, säuberlich und ordentlich aufgeschrieben, die Adresse von Reginas Atelier, wo Gert Regina das letzte Mal gesehen, sie zum letzten Male geküßt hatte…
Regina war also verschwunden.
Vielleicht war es am besten so.
Sollte er seinen Vater um Hilfe bitten, seinen gütigen, verständnisvollen Vater? Nein – das ging nicht. Die Sache mußte er allein ins reine bringen.
Er machte noch einen weiteren Versuch. Er schrieb an das Einwohnermeldeamt zu Hause.
Und er erhielt eine trockene Antwort auf Behördenbriefbogen. Regina Frank hat sich nicht abgemeldet. Sei sie von der Stadt abwesend, so könne es sich nur um eine kürzere Reise handeln.
Und Gert wiederholte bei sich, daß es so vielleicht am besten sei…
Reginas Hände kneteten an einem kleinen Klumpen Ton herum. Sie saß eifrig über ihre Arbeit gebeugt, warf hin und wieder einen Blick auf die Zeichnung vor sich, arbeitete weiter, hielt die halbfertige Arbeit in Armeslänge von sich weg, betrachtete sie kritisch.
Ein kleines Bärchen. Ein kleiner, kugelrunder, tolpatschiger Petz.
Sie lächelte. Eine ulkige
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