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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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lehrte mich zweierlei – erstens, daß Erbrochenes bei vierzig Meilen die Stunde in der Luft zerstäubt, und zweitens, daß der Windermere ein überaus kompaktes Gewässer ist. Und jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Trotz seiner immensen geographischen Vielfalt und zeitlosen Majestät ist Großbritannien ein überaus kleines Land. Kein einziges Naturdenkmal hat Weltniveau – es gibt keine Alpen, keine phantastischen Schluchten, nicht einmal einen großen Fluß. Man mag die Themse für eine wichtige Wasserader halten, aber im Weltmaßstab ist sie kaum mehr als ein ambitionierter kleiner Bach. Verlegte man sie nach Nordamerika, käme sie nicht einmal unter die ersten hundert. Um genau zu sein, sie würde auf Nummer 108 landen, deklassiert von solch relativen Unbekannten wie dem Skunk, dem Kuskokwim und sogar dem kleinen Milk. Der Windermere nimmt unter den englischen Seen einen Ehrenplatz ein, doch auf knapp achtzig Quadratzentimeter seiner Wasserfläche kommen fast zwei Quadratmeter des Oberen Sees. In Iowa gibt es ein Gewässer namens Dan Green Slough, von dem selbst die meisten Iowaner noch nie gehört haben, aber es ist größer als der Windermere. Der gesamte Lake District belegt weniger Fläche als die Twin Cities Minneapolis und St. Paul.
    Mir gefällt das sehr – nicht daß alles so bescheiden in seinen Ausmaßen, sondern daß es wunderschön ist, obwohl es so bescheiden inmitten einer dichtbesiedelten Insel liegt. Denn das will was heißen! Haben Sie wirklich eine genaue Vorstellung davon, wie irrsinnig dicht besiedelt Großbritannien ist? Wußten Sie zum Beispiel, daß man, wenn man die gleiche Bevölkerungsdichte in Amerika erzielen wollte, die gesamte Einwohnerschaft von Illinois, Pennsylvania, Minnesota, Massachusetts, Michigan, Colorado und Texas einpacken und nach Iowa verfrachten müßte? Einen Tagesausflug vom Lake District entfernt leben zwanzig Millionen Menschen, und zwölf Millionen (grob geschätzt, ein Viertel der Bevölkerung Englands) kommen jedes Jahr zu den Seen. Kein Wunder, daß man an manchen Sommerwochenenden zwei Stunden braucht, um Ambleside zu durchqueren, und über den Windermere praktisch von Boot zu Boot laufen kann.
    Aber selbst in der Hochsaison ist der Lake District immer noch bezaubernder und nicht so kommerziell und geldgeil wie viele berühmte, schöne Flecken in viel größeren Ländern. Und fern der Massen – fern von Bowness, Hawkshead und Keswick mit ihren Geschirrtüchern, Tea Rooms, Teekannen und dem ewigen Beatrix-Potter-Scheiß – bewahrt er Ecken purer Vollkommenheit, wie ich nun feststellte, als sich die Fähre an den Landesteg schob und wir hinaustaperten. Eine Minute lang wimmelte es an der Landestelle wie im Bienenhaus, eine Gruppe Autos fuhr von, eine andere an Bord, und die acht oder zehn Fußgänger entfernten sich in verschiedene Richtungen. Dann herrschte seliges Schweigen. Ich spazierte über einen hübsch bewaldeten Pfad um das Seeufer herum, wandte mich dann landeinwärts und begab mich nach Near Sawrey.
    In Near Sawrey befindet sich Hilltop, das Cottage, wo die unvermeidbare Potter ihre süßen kleinen Aquarelle malte und ihre schmalzigen Stories ersann. Die meiste Zeit des Jahres ist es überlaufen von Touristen aus aller Herren Länder. Das Dorf besteht weitgehend aus großen (aber diskret gelegenen) Parkplätzen, und bei Gott, der Tea Room bietet seine Speisen sogar in Japanisch an. Aber die Wege zum Dorf sind aus jeder Richtung sehr reizvoll und unverdorben: eine Idylle aus Wiesen und Weiden, durchzogen von Schiefermauern, vereinzelten Wäldchen und geduckten, weißen Bauernhäusern. Dahinter locken die blauen Berge. Near Sawrey selbst besitzt einen betörenden, wohlbedachten Charme, den auch die alles überschwemmenden Massen, die hierherkommen und durch seine berühmteste Wohnstatt schlurfen, nicht zerstören können. Hilltop ist so besorgniserregend beliebt, daß der National Trust es nicht einmal mehr aktiv bewirbt. Die Touristen kommen trotzdem. Als ich ankam, spuckten zwei Busse plappernde weißhaarige Insassen aus, und der Hauptparkplatz war beinahe voll.
    Da ich im Jahr zuvor schon in Hilltop gewesen war, wanderte ich daran vorbei über einen wenig bekannten Pfad zu einem kleinen, etwas höher gelegenen Bergsee. Hier ist die alte Mrs. Potter immer hergekommen und mit einem Ruderboot herumgepaddelt – ob sie aus gesund-heitlichen Gründen Sport treiben oder sich geißeln wollte, entzieht sich meiner Kenntnis –, aber der See war

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