Reif für die Insel
das erstbeste Chinarestaurant.
Ich weiß nicht, warum, aber in Chinarestaurants fühle ich mich stets ein wenig unwohl, besonders wenn ich allein dort speise. Ich habe immer den Verdacht, daß die Kellnerin sagt: »Ein Rindfleisch-Chop-suey mit Reis für den imperialistischen Hund an Tisch fünf.« Und Stäbchen finde ich, ehrlich gesagt, ein Armutszeugnis. Bin ich denn der einzige, dem es komisch vorkommt, daß ein Volk, das so genial ist, Papier, Schießpulver, Papierdrachen und jede Menge andere nützliche Dinge zu erfinden, und das sich einer über 3000 Jahre alten Geschichte rühmen kann, einfach nicht kapiert, daß ein Paar Stricknadeln kein geeignetes Mittel ist, Essen zu erbeuten? Na, jedenfalls verbrachte ich eine Stunde damit, Reiskörner aufzuspießen, Sauce über das Tischtuch zu kleckern und mir fein ausbalancierte Fleischstücke zum Mund zu heben und dann doch nur zu entdecken, daß sie geheimnisvoll und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Als ich fertig war, sah der Tisch aus, als habe ein Handgemenge stattgefunden. Schamerfüllt bezahlte ich meine Rechnung und schlich zur Tür hinaus und zurück in mein Hotel, wo ich ein wenig in die Glotze guckte und die leckeren Reste schnabulierte, die sich in Pulloverfalten und Hosenaufschlägen verbargen.
Am nächsten Morgen stand ich früh auf und ging die Stadt ansehen. Exeter war in düsteren Nebel gehüllt, was sein Aussehen nicht gerade hob, doch der Kathedralenplatz war sehr schön und die Kathedrale sogar schon morgens um acht geöffnet, was mich sehr beeindruckte. Eine Zeitlang blieb ich hinten sitzen und lauschte den morgendlichen Chorproben. Wunderbar. Dann wanderte ich zu den alten Kais. Mal sehen, was es dort zu entdecken gab. Sie waren kunstvoll zu Läden und Museen restauriert worden, aber zu dieser Tageszeit geschlossen – oder vielleicht zu dieser Jahreszeit –, und es war kein Mensch zu erblicken.
Als ich wieder in die High Street zurückkehrte, öffneten die Läden gerade. Ich hatte noch nichts gegessen, weil Frühstück in dem Sonderpreis für mein Zimmer nicht enthalten war, und begab mich auf die Suche nach einem Café. Aber wieder Fehlanzeige. Am Ende ging ich zu Marks & Spencer, um mir ein Sandwich zu kaufen.
Obwohl das Kaufhaus gerade erst geöffnet hatte, war die Lebensmittelabteilung voll, und an den Kassen standen lange Schlangen. Ich stellte mich hinter acht andere Kunden, lauter Frauen, die alle etwas Unerklärliches taten. Wenn sie mit Bezahlen dran waren, taten sie völlig überrascht.
Seit Jahren rätsele ich an diesem Phänomen herum. Da stehen die Frauen, schauen zu, wie ihre Käufe eingetippt werden, und wenn die Kassiererin sagt: »Das macht 4,20 Pfund, love«, oder wieviel auch immer, schauen sie plötzlich aus, als hätten sie noch nie im Leben eingekauft. Sie rufen »Oh!« und fangen ganz aufgeregt an, in ihren Handtaschen nach Geldbörsen oder Scheckheften zu wühlen, als habe ihnen niemand erzählt, was für Konsequenzen auf sie zukämen.
So viele Fehler Männer auch haben – wie zum Beispiel große, ölige Maschinenteile in der Küchenspüle zu waschen oder zu vergessen, daß eine frischgestrichene Tür länger als dreißig Sekunden naß bleibt –, beim Bezahlen sind sie meist ganz gut. Sie nutzen die Zeit in der Schlange zu einer Inventur ihrer Brieftasche und legen die Münzen zurecht. Wenn der Mensch an der Kasse den Betrag nennt, händigen sie unverzüglich die in etwa korrekte Summe aus, behalten die Hand für das Wechselgeld ausgestreckt, so doof das auch aussieht und so lange es dauert, wenn zum Beispiel die Papierrolle streikt, und dann – aufgepaßt! – stecken sie im Weitergehen ihr Geld ein, anstatt zu beschließen, nun sei es an der Zeit, die Autoschlüssel zu suchen und die Quittungen von sechs Monaten zu sortieren.
Und wenn wir jetzt schon einmal bei diesen gewagten sexistischen Zwischenbemerkungen sind – warum können Frauen Zahnpastatuben nie vom Ende her aufrollen, und warum versuchen sie immer jemand anderen dazu zu bringen, eine Glühbirne einzuschrauben? Wieso können sie Dinge riechen und hören, die so eindeutig jenseits aller menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit liegen, und woher wissen sie in einem anderen Zimmer, daß man gerade einen Finger in die Glasur eines frisch gebackenen Kuchens stecken will? Warum vor allem finden sie es so beunruhigend, wenn man mehr als vier Minuten am Tag auf der Toilette verbringt? Auch das ist mir seit Jahren ein Rätsel.
Ich lächelte die Prozession
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