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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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wegzubaggern.
    Das ist doch krank! Wenigstens die Hälfte der Hecken in Großbritannien datiert aus der Zeit vor den Einfriedungen, und bis zu einem Fünftel stammt aus angelsächsischen Zeiten. Aber ganz egal, man sollte sie ja auch gar nicht nur deshalb bewahren, weil sie schon seit Ewigkeiten da sind, sondern weil sie unbestreitbar die Landschaft verschönern. Sie tragen entscheidend dazu bei, England zu England zu machen. Ohne sie wäre es nur Indiana mit Kirchtürmen.
    Manchmal könnte ich geradezu ausrasten. Dieses Land hat die anmutigste, parkähnlichste, die makellosest kom-ponierte Landschaft, die die Welt je gesehen hat; sie ist das Produkt jahrhundertelanger unermüdlicher, intuitiver Verfeinerungsarbeit, und nun ist man nur noch eine halbe Generation davon entfernt, das meiste davon für immer zu zerstören. Hier geht’s nicht um »die Sehnsucht nach einem nichtexistenten goldenen Zeitalter«. Hier geht’s um etwas, das grün und lebendig und unvergleichlich schön ist. Wenn also noch einmal jemand zu mir sagt: »Hecken sind in Wirklichkeit gar kein uraltes Merkmal dieses Landes«, kriegt er eins auf die Nase, denn ich bin zwar ein großer Anhänger von Voltaires berühmter Maxime, »Mein Herr, ich bin vielleicht nicht Ihrer Meinung, aber ich werde mit meinem Leben für Ihr Recht einstehen, ein komplettes Arschloch zu sein«, doch irgendwo ist Schluß.
     
    Ich wanderte über einen kleinen Waldweg nach Snowshill, drei Meilen weiter. Die goldenen Blätter raschelten, und der weite blaue Himmel war leer bis auf ein gelegentlich langsam dahinziehendes Geschwader Zugvögel. Es war ein wunderschöner Tag, um draußen zu sein – so ein Tag, an dem man tief durchatmet und wie Paul Robeson »Zippity Doo Dah« singt. Snowshill döste im Sonnenschein, ein Häuflein Steincottages, um einen sich sanft neigenden Anger versammelt. Ich erstand eine Eintrittskarte zu Snowshill Manor, nun in den Händen des National Trust, aber von 1919 bis 1956 das Heim eines exzentrischen Knaben namens Charles Wade, der sein Leben dem Sammeln umfangreichen und völlig beliebigen Krimskrams widmete, manches ist sehr gut, anderes kaum mehr als Trödel – Klavichorde, Mikroskope, flämische Wandteppiche, Schnupftabak- und Tabakdosen, Karten und Sextanten, Samurai-Rüstungen, Hochräder –, was immer Ihr Herz begehrt. Dann war das Haus so voll, daß für ihn kein Platz mehr blieb. Seine letzten Jahre wohnte er glücklich und zufrieden in einem Anbau, der wie das Haus selbst seit Wades Ableben nicht verändert wurde. Snowshill Manor gefiel mir über die Maßen, und als später die Sonne im Westen unterging und sich die Welt mit langen Schatten und dem herrlich delikaten Duft nach brennendem Holz füllte, wanderte ich als zutiefst glücklicher Mensch zu meinem Auto zurück.
    Ich verbrachte die Nacht in Cirencester und fuhr am nächsten Tag nach Besichtigung des netten, kleinen Corinium Museum mit seiner außerordentlichen, seltsamerweise kaum bekannten Sammlung römischer Mosaiken, Münzen und sonstiger Gegenstände nach Winchcombe, um mir etwas ganz Besonderes anzusehen. Auf einem Hügel über Winchcombe gibt es nämlich eine kaum besuchte, aber so einzigartige und wunderbare Stätte, daß ich sogar zögere, hier davon zu erzählen. Die meisten der relativ seltenen Besucher, die in diese ruhige Ecke der Cotswolds eindringen, geben sich nämlich mit einem Besuch Sudeley Castles oder einer Wanderung zu dem berühmten, einsamen Eiszeithügelgrab Belas Knap zufrieden. Ich aber eilte schnurstracks zu einem grasbewachsenen Bergpfad namens Salt Way. Er heißt natürlich so, weil im Mittelalter hier Salz hertransportiert wurde. Es war ein bezaubernder Spaziergang über offenes Land, mit weiten Blicken in tiefeingeschnittene Täler, die nie ein Auto gesehen oder das Geräusch einer Kettensäge gehört zu haben schienen.
    An einer Stelle namens Cole’s Hill stürzte der Pfad urplötzlich in einen wild wuchernden, dunklen Wald, in dem man sich wie in einem Ur-Wald fühlte und wegen der Brombeerranken kaum durchkam. Ich wußte, irgendwo hier drin war mein Ziel – eine Stätte, die auf der Karte als »römische Villa (Reste)« aufgeführt wurde. Ungefähr eine halbe Stunde lang schlug ich mit meinem Stock auf das Dickicht ein, dann fand ich die Grundmauern einer alten Wand. Es sah nach gar nichts aus – es hätten auch die Reste eines alten Schweinestalls sein können –, aber ein paar Meter weiter, beinah ganz überwuchert von wildem Efeu,

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