Reinen Herzens
Traumes. Sie versuchte, noch ein bisschen in diesem sinnlichen Traum zu verweilen, der sich langsam auflöste und ihrem Bewusstsein Platz machte. Gleich würde David mit einer Tasse Kaffee heraufkommen. Sie setzte sich benommen auf und stöhnte. Ihr Kopf schmerzte. Sie warf einen Blick auf die Laken neben sich. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, das Kissen zerdrückt. Sie strich mit der Hand zärtlich über das Kissen, vielleicht würde er sich noch ein bisschen zu ihr legen … Sie dämmerte zufrieden vor sich hin, versuchte ihren schmerzenden Kopf zu entspannen. Gedanken kamen und gingen, sie ließ sie ziehen. Sie hörte Schritte in der Küche. Gleich würde David die Treppe hinaufsteigen … David … Schritte auf der Treppe … aber nicht die vertrauten Schritte … Sie setzte sich abrupt auf und stöhnte erneut. Ihr Kopf explodierte fast durch die plötzliche Bewegung, sie starrte die zerwühlten Laken zu ihrer Linken an. Mit einem Schlag waren die vergangenen Tage wieder präsent. Nicht David … David war tot. Nein, korrigierte sie sich, wahrscheinlich nur verschwunden, hoffentlich … Aber wenn es nicht David war, der in der Küche Kaffee kochte – wer dann? Wer hatte da neben ihr gelegen, fragte sie sich erschrocken. Die letzten Reste ihres Traumes zerplatzten wie Seifenblasen, als der gestrige Abend mit Macht in ihr Bewusstsein drang. Wie war sie überhaupt nach Hause gekommen? Sie konnte sich nicht erinnern. Der Abend im Ráj … sie hatte ihn mit Jirka verbracht, nicht mit David. Sie hatten Wein getrunken, viel Wein … entsetzt sah sie an sich herunter. Sie trug nur ihre Unterwäsche. Entsetzt zog sie die Bettdecke hoch, als sie Schritte im Flur hörte. Das träume ich jetzt hoffentlich nur, dachte sie und kniff die Augen fest zusammen. Gleich wache ich auf, und es war alles nur ein Traum. Sie atmete hoffnungsvoll tief ein und wieder aus und öffnete die Augen.
In der Tür stand Jirka Kratochvíl und hielt zwei Tassen in den Händen. »Guten Morgen, schöne Frau. Du siehst bezaubernd aus – wie immer.« Er lächelte charmant, trat, ganz so, als sei es das Natürlichste auf der Welt, ans Bett und reichte ihr eine der Tassen. »Ich schätze, du kannst auch einen Kaffee vertragen. Hast du Aspirin im Haus? Mein Kopf bringt mich um.«
Sie nahm die Tasse entgegen, während sie ihn sprachlos anstarrte. Immerhin ist er angezogen, schoss es ihr durch den Kopf. Jedenfalls trug er seine Anzughose und ein Hemd, das allerdings offen war. Seine Füße waren nackt. Sie versuchte, nur sein Gesicht anzusehen und irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Hatte sie etwa …? Ihre Hände zitterten, sie verschüttete fast den Kaffee. So betrunken konnte sie doch nicht gewesen sein, dass sie die Nacht mit Jirka verbracht hatte. Sie trank einen Schluck, versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. »Danke«, murmelte sie. »Aspirin ist unten in der Küche, im Schrank mit den Gläsern«, fügte sie automatisch hinzu. »Was in aller Welt machst du hier?«
Er setzte sich am Fußende auf das Bett. »Ich habe dich nach Hause gebracht, wie es sich für einen Gentleman gehört.« Er grinste. »War gar nicht so einfach, dich hier raufzukriegen. Kannst du dich an irgendwas erinnern?«
»An zwei Flaschen Wein … Gibt es sonst noch etwas, an das ich mich erinnern sollte?«, fragte sie misstrauisch und fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Ihr Blick schweifte durch das Schlafzimmer. Auf dem Boden zwischen Tür und Bett lagen verstreut ihre Kleidungsstücke.
Jirka trank einen Schluck und folgte ihrem Blick auf die Kleidung. »Ich war zu müde, na ja, zu betrunken, um die Sachen aufzuheben. Es waren übrigens drei Flaschen. Und ein oder zwei Absacker von deinem göttlichen Grappa. Hm, vielleicht auch drei.«
» Drei Flaschen?« Sie erinnerte sich dunkel, dass sie den Wein wie Limonade getrunken hatte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Gar nichts, sie hatte nur einen Abend lang alles vergessen wollen. Schöner Mist. Die Strafe folgte auf dem Fuße, dachte sie halb amüsiert, halb verärgert, wobei die Kopfschmerzen das kleinste Problem waren.
»Und ein paar großzügige Absacker. War wohl ein bisschen zu viel.«
»Kann man wohl sagen. Das habe ich nicht mehr getan, seit … seit meinem zweiundzwanzigsten Geburtstag.« Die Erinnerung an diesen letzten großen Absturz vor vielen Jahren war alles andere als angenehm. »Das war in Las Vegas, in den Semesterferien.«
»Und was ist damals gewesen?«, fragte Jirka
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