Reise zu Lena
Tür zum Schlafzimmer. Ich wollte das nicht hören, war geflüchtet und stellte die Musik lauter, bewegte mich, unsere Tanzschritte wiederholend, ziemlich beschwipst allein über das Parkett. Ich erinnere mich noch, wie wir dann mitten in der Nacht auf unserem hockten und unsere letzte Flasche Champagner leerten. Als Freddy sich es richtig gemütlich machen wollte und sich müde zur Seite legen wollte, schmiss Glorie ihn kurzerhand aus unserer Wohnung und wir schliefen unseren Rausch aus. Glories Affäre, besser ihre Bettgeschichte mit Freddy hielt einige Wochen an, dann brach sie ebenso abrupt ab, wie sie begonnen hatte. Wir gingen auf Reisen. In die Karibik.«
»Ich erinnere mich noch an meinen Besuch, bevor Ihr abgereist seid«, meldete sich da Albert, »nach wochenlangem Schweigen hattet Ihr uns zum Abendessen eingeladen. Ann war nicht bereit mitzukommen. Ihre Verbitterung war grenzenlos. Es gab laute Szenen zwischen uns. Sie fühlte sich ausgeschlossen. Sie behauptete unter Tränen, ich würde ihr in den Rücken fallen. Nur mit Mühe konnte ich sie überreden, mit mir zu gehen.«
»Wir hatten liebevoll eingekauft, stundenlang gekocht, die besten Weine bereitgestellt, an denen Glorie nur nippte. Kerzen brannten überall.«
»Ja«, so Albert, »es war ein Festessen! Ein großer Abend! Ein Wiedersehen, das zugleich ein Abschied war. Ich war zutiefst gerührt und beglückt. Ich glaube, dass ich später nie mehr so glücklich war. Ich sagte mir, nun seien alle Sorgen verflogen, Glorie würde auf dieser weiten Reise ein neues Leben beginnen. Wir schauten hoffnungsvoll nach vorne und ich mochte nichts anderes sehen und hören. Die Unkenrufe zu Hause von Ann wollte ich nicht hören, ich hielt mir die Ohren zu.«
»Wir flogen nach Kuba. Die Musik gab den Ausschlag, aber genauso die Revolution von Castro und Che Guevara, die uns begeisterte. Als wir in unserem Hotel angekommen waren, eine billige Absteige, stellte ich erschrocken fest, dass wir uns wieder auf einem dünnen Drahtseil bewegten. Ihre Augen waren plötzlich glasig geworden, ihre gerade mühsam erlernten spanischen Brocken fielen ihr nicht mehr ein, und sie ließ sich wie ein Kind durch die hässliche Lobby unseres Hotels führen. In den ersten Tagen ging sie nur für Minuten auf die Straße, aß so gut wie gar nichts, sie schlief Tag und Nacht. Ich erkundigte mich bereits nach Rückflügen. Ein kleiner Vogel, eingesperrt in einem winzigen Käfig, den unser Wirt in unser Zimmer gestellt hatte, erfüllte mit seinem lustigen Gezwitscher den Raum. Glorie stand eng umschlungen mit mir auf unserem Balkon, und wir betrachteten mit Inbrunst diese fremde Stadt in dieser fremden Welt. Der kleine Vogel rührte sie zu Tränen. Die offenen Fenster, wo nackte Kinder, Frauen in bunter Unterwäsche und Männer in schmutzigen Pyjamas herumliefen. Dazwischen ein Gewirr von Stimmen, helle, dunkle, laute, zarte Stimmen, schreiende Katzen, kläffende Hunde, ein klagender Hund, Pferdegewieher, Musik in allen Tönen und allen Rhythmen mit der andauernden Untermalung eines nimmermüden Verkehrs, uralte Autos aller Marken, plärrende Motorräder, dazwischen Gehupe und ferne Sirenen vom Hafen, Kirchenläuten und das Getöse von niedergehenden Flugzeugen, die es offensichtlich auf unser Dach abgesehen hatten.
>Bleiben wir hier oder wollen wir nicht besser wieder zurück?>, fragte ich vorsichtig.
>Zurück? Zurück: Nein! Gib mir noch ein wenig Zeit>, flüsterte Glorie.
Den Vogel ließen wir aus Dankbarkeit fliegen und gaben dem Wirt dafür einen Kuss und einen Dollarschein. In einem klapprigen Ford durchstreiften wir die Insel, aßen in kleinen Dörfern Fische vom Grill, tranken billigen Landwein. Danach lagen wir nackt an den endlosen Sandstränden und rauchten viel zu große Zigarren, die man uns geschenkt hatte. Ich erinnere mich, wie mir davon übel wurde. Im Wasser hielten wir nach Haien Ausschau, aber offenbar waren wir keine lohnende Beute. Als wir einmal einen Babyhai, der uns unter Wasser riesig erschien, vor uns hatten, war die gegenseitige Angst voreinander so groß, dass wir uns nicht zu bewegen wagten. Dann zog er sich gravitätisch zurück, ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen.
Nach einer Woche waren wir so braun am Körper fast schon wie die Einheimischen, nur unsere blonden Haare, die unter der Sonne von Kuba bleichten, verrieten uns als Ausländerinnen. Die Männer warfen uns feurige Blicke zu, aber behandelten uns mit Respekt und einer
Weitere Kostenlose Bücher