Reisestipendien
diesen Kurs bisher eingehalten hatte. Leider wäre es aber dem anderen Schiffe dann ebenso leicht gewesen, in entgegengesetzter Richtung weiter zu fahren, und am Morgen wäre es dann jedenfalls schon außer Sicht. Was sollte dann aus dem Boote mit seinen elf Insassen werden, wenn es hilflos dem Wind und Wellengange preisgegeben war?
Auf jeden Fall manövrierte Will Mitz so, daß er so weit wie möglich von dem »Alert« entfernt bliebe.
Eine Stunde nach Mitternacht hatte sich in der Sachlage noch nichts geändert. Einige der Flüchtlinge wurden schon von lebhafter Unruhe ergriffen. Hoffnungsvoll bei der Abfahrt, hatten sie angenommen, nach einer halben Stunde in Sicherheit zu sein, und jetzt irrten sie bei der Aufsuchung des anderen Schiffes schon zwei Stunden lang in tiefer Finsternis umher.
Louis Clodion und Roger Hinsdale, die überhaupt eine große Energie zeigten, sprachen ihren Kameraden Mut zu, wenn diese eine Klage hören ließen und sich niedergeschlagen erwiesen. Patterson schien überhaupt das Bewußtsein verloren zu haben.
Will Mitz unterstützte die beiden jungen Leute in ihrer Bemühung.
»Nur guten Mut, meine jungen Herren, sagte er. Noch hat sich kein Wind erhoben, das Schiff muß also noch an derselben Stelle liegen wie gestern Abend. Sobald der Nebel sich mit Anbruch des Tages verzieht, werden wir, da unser Boot vom ›Alert‹ schon fern ist, es in der Nähe sehen, und dann erreichen wir es mit wenigen Ruderschlägen.«
Will Mitz war jetzt freilich selbst etwas ängstlicher, wenn er das auch nicht merken lassen wollte, ängstlicher, weil er an eine andere, nicht ausgeschlossene Möglichkeit dachte.
Einer der Räuber hatte ja die Flucht der Passagiere entdecken können, so daß Harry Markel wußte, was er zu tun habe, und er mit einigen seiner Leute in dem zweiten Boote des Dreimasters deren Verfolgung aufnahm.
Dem Schurken mußte doch alles daran liegen, die Flüchtlinge wieder in seine Gewalt zu bringen, da die Windstille den »Alert« hinderte, diese Gegend zu verlassen.
Und selbst wenn er hätte weiter segeln können, lief er da nicht Gefahr, von dem anderen Schiffe verfolgt zu werden, das sicherlich schneller und stärker als das seinige war und dessen Kapitän dann jedenfalls über alles aufgeklärt worden war?
Will Mitz lauschte gespannt auf das leiseste Geräusch vom Meere her. Zuweilen glaubte er, in kurzer Entfernung regelmäßige Ruderschläge zu hören, was darauf hingewiesen hätte, daß ein Boot des »Alert« sie verfolgte.
Dann ließ er selbst die Ruder einziehen, so daß das still liegende Boot nur schwach auf der langen Dünung schwankte.
Wiederum verfloß eine Stunde. Louis Clodion und seine Kameraden lösten einander beim Rudern ab, nicht um vorwärts zu kommen, sondern nur um sich an derselben Stelle zu erhalten. Will Mitz wollte sich nicht noch weiter entfernen, da er nicht wußte, welche Richtung er einschlagen sollte. Vor allem kam es ja darauf an, bei Sonnenaufgang nicht in zu großer Entfernung von dem Schiffe zu sein, entweder um ihm Signale zu geben oder um es noch zu erreichen, wenn es sich etwa in Bewegung setzte.
Jetzt zur Zeit der Tag-und Nachtgleiche in der zweiten Hälfte des Septembers bricht der Tag nicht vor sechs Uhr morgens an.
Zerstreute sich der Nebel, so wäre ein Schiff jedoch schon von fünf Uhr an bis auf eine Entfernung von drei bis vier Seemeilen wohl zu erkennen gewesen.
Will Mitz wünschte deshalb dringend und sprach darüber mit Roger Hinsdale, Louis Clodion und Tony Renault, den beherztesten von allen, daß der Nebel noch vor Tagesanbruch verschwinden möchte.
»Doch nicht etwa durch eine frische Brise, setzte er hinzu, denn dann würde nicht nur der ›Alert‹ absegeln, sondern auch das andere Schiff, und wir trieben verlassen auf dem weiten Meere!«
Mit diesem unbedeckten und schwer belasteten Boote, auf dem man kein Segel hissen konnte, einem Boote, das schon ein geringer Wellenschlag zum Kentern bringen mußte, war die Hoffnung ausgeschlossen, einen Hafen der Antillen zu erreichen. Am ersten Reisetage mußte der »Alert«, nach der Schätzung des jungen Seemannes, in südöstlicher Richtung von Barbados wenigstens sechzig Seemeilen zurückgelegt haben. Sechzig Meilen hätte das Boot, selbst mit Hilfe eines Segels und bei günstigem Winde und schlichtem Wasser, aber kaum in achtundvierzig Stunden hinter sich bringen können. Dabei fehlte es ihm an Proviant und an Wasser. Wenn der Tag graute und die Passagiere Hunger und Durst
Weitere Kostenlose Bücher