Reispudding mit Zimt (German Edition)
Adrian: „Ist Okay. Kann man essen. Mach heute Abend ein paar Portionen für die Gäste fertig.“ Dabei sieht er mich noch nicht einmal an.
Gregory blinzelt vergnügt zu mir hinüber und zeigt mit einem Daumen nach oben. Ich grinse triumphierend zurück.
Nadine kommt zum Dienst. Während sie sich ihre Schürze umbindet, schnuppert auch sie neugierig.
„Was duftet denn hier so nach Zimt? Mm. Ich liebe Zimt,“ sagt sie.
Gregory platzt heraus: „Annas Reispudding.“
„Mm. Reispudding“, sagt Nadine sehnsüchtig, „Den habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen. Krieg ich auch eine Portion?“
Adrian funkelt sie böse an. „So weit kommt das noch. Das Essen ist zunächst für die Gäste, nicht für das Personal, verstanden?“
„Ja, natürlich. Zunächst“, sage ich spitz, „aber eine Portion hat in der Herstellung nur einen Pfennigswert. Gib die Hoffnung nicht auf, Nadine, vielleicht ist nach Feierabend noch eine Portion für dich übrig.“
„Danke“, sagt Nadine. Dann fragt sie Adrian: „Wenn die Gäste nach dem Preis der Reispuddings fragen, was soll ich ihnen sagen, Chef?“
Adrian denkt einen Moment nach. Dann sagt er: „Acht Pfund sind angemessen.“
Acht Pfund! So viel hatte ich bei Freddy für eine Stunde Schufterei verdient. Dabei kostet jeder Pudding höchstens 30 Pence in der Herstellung.
„Ja, aber“, protestiere ich, „dann denken die Gäste wieder nur, dass hier alles Over-Priced ist.“
Adrian dreht sich mir zu und sagt: „Bist du wieder mal dabei, deine Kompetenzen munter zu überschreiten, Anna? Bloß weil du einen einigermaßen passablen Nachtisch herstellen kannst, heißt das nicht, dass du dich gleich auf das hohe Ross setzten kannst.“
Ich pralle zurück. Passabler Nachtisch. Schon das ist hart, aber die weitere Bemerkung vom „hohen Ross“ lässt mich schlucken.
Anna Mauritz, denke ich mir, jetzt bist du extra aus Hamburg nach England gefahren, um dem autoritären Gebaren deines Vater zu entfliehen, und nun hast du den ganzen Salat hier wieder, und zwar mit dem Vater deines Liebsten. Sind denn die Männer in der Generation alle so verdammt schwierig?
Den restlichen Abend halte ich mich zurück und bin geknickt. Gregory wirft mir zwar ab und zu einen aufmunternden Blick zu, aber ich lächle nur schief zurück.
Die Gäste finden meinen Pudding übrigens fantastisch und schicken über Nadine ein großes Lob in die Küche.
„Ein Gast sagt, er hätte noch nie in seinem Leben einen Nachtisch gegessen, der so schlicht aber so köstlich war“, berichtet sie laut.
Adrian arbeitet weiter und würdigt mich keines einzigen Blickes. Ich frohlocke zwar ein bisschen über das Lob, nehme es aber kommentarlos entgegen, als hätte jemand etwas Unanständiges gesagt, das man lieber schnell vergessen sollte.
Von guter Betriebsatmosphäre kann hier keine Rede sein. Wenn eine kleine Veränderung meinerseits schon so einen Wirbel macht, sehe ich schwarz. Wie soll es hier nur weitergehen? Ich weiß es nicht.
Eigentlich müsste ich die glücklichste Person in ganz Aldeburgh sein. Ich werde von dem Mann geliebt, an den ich mein Herz ganz und gar verloren habe. Aber von Chris sehe ich so gut wie nichts. Er ist mitten in der heißen Phase der Proben für das große Benjamin Britten Projekt. Ab und zu schickt er mir eine liebe SMS, dass er „an mich denke“ oder „mich vermisse“ und ich schreibe ihm zurück, dass es mir genauso geht.
Er hat keine Ahnung, was hier zwischen mir und seinem Vater abgeht, denke ich oft. Wie gerne würde ich mit ihm darüber sprechen! Wie gerne würde ich seine Seite der Geschichte erfahren!
Ob sein Vater wohl ihm gegenüber auch immer so ruppig ist (oder war)? Oder ist das nur seine berufliche Art? Ist er in Wirklichkeit ein herzensguter und liebevoller Vater und Ehemann?
Die Ähnlichkeiten zwischen Adrian und meinem Vater sind schon sehr augenfällig. Beide sind so richtige „Alpha-Tiere“. Sie pochen darauf, das letzte Wort zu haben und Recht zu behalten. Wahrscheinlich sind sie vom Schicksal verwöhnt. Beide erleben es in ihrer momentanen Lebensphase, dass sie die absoluten Kings sind. Und Eines war mir klar: Wenn solche Alpha-Tiere dann irgendwann abdanken müssen, dann krallen sie sich mit geradezu kindlicher Angst an ihren Rang und Stand. Dadurch werden sie so verdammt unflexibel, dass sie für keine Anregungen oder Vorschläge empfänglich sind.
Wie es meinem Vater einmal gehen wird, kann ich noch nicht absehen, aber bei Adrian
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