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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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gerade so den Dachfirst zu packen.
    Ein paar Sekunden lang hing er in dieser Position und sammelte seine Kräfte. Dann zog er sich langsam hoch, bis er mit einem Arm den Schornstein umfassen konnte. Das gab ihm genügend Halt.
    Vorsichtig nahm er nun das silberne Etwas, das sie von unten gesehen hatten, in Augenschein.
    »Sieht nach einem Umschlag aus«, rief er. »Und da ist irgendwas drin. Soll ich ihn öffnen?«
    »Nein.« Michaels Stimme klang angespannt. »Bring ihn mit runter.«
    Eric löste den mit einem Nagel und einer Schnur befestigten Umschlag vom Schornstein, klemmte ihn sich zwischen die Zähne und rutschte den letzten Dachabschnitt einfach wieder runter.
    Der Rest ist ein Kinderspiel. Du kennst den Weg , dachte er und setzte behutsam einen Fuß vor den anderen. Nun kann nichts mehr schiefgehen .
    Doch kaum hatte er den Gedanken beendet, löste sich ganz in der Nähe ein Schuss. Eric wankte bedrohlich auf dem Dach hin und her. Als dann noch ein paar aufgeschreckte Krähen aus dem Wald direkt auf ihn zuflogen, verlor er endgültig das Gleichgewicht und drohte, mit dem Rücken voran vom Dach zu stürzen.
    Doch noch während er die Schreie der anderen hörte, drehte Eric sich wie eine Katze blitzschnell um die eigene Achse und landete mit Händen und Füßen auf dem Dach. Der Umschlag befand sich noch immer in seinem Mund.
    Schwer atmend verharrte Eric einige Sekunden in dieser Position. Dann brachte er sich vorsichtig krabbelnd wieder in eine sichere Lage.
    Verdammt, das war wirklich knapp gewesen.
    Vorsichtig stand er auf und trat noch langsamer als zuvor den Rückzug an. Erleichtert atmete er auf, als er das sichere Fenster erreichte.
    Eric wehrte alle Versuche ab, ihn zu umarmen oder ihm in irgendeiner Weise körperlich nahe zu kommen. »Gebt mir ein paar Minuten«, sagte er leise und legte den Umschlag auf den runden Beistelltisch neben der Couch. Dann setzte er sich still in einen der Sessel.
    »Hey, Eric!«
    Eric hob den Kopf und sah Michael mit glasigen Augen an. »Hm?«
    »Das war ganz großes Ballett da oben.«
    »Hm.«
    Ebenso ungewöhnlich wie Erics Schweigen war Georges Reaktion, als er wortlos in die Küche ging und Eric ein Glas Wasser holte. Er stellte es auf einen kleinen Tisch neben dem Sessel.
    »Danke«, sagte Eric knapp und emotionslos und fast schien es, als hätten er und George für einen Moment die Rollen getauscht.
    Annabels Blick war auf das Briefkuvert gerichtet.
    »Soll ich?«, fragte sie.
    Michael und George nickten stumm.
    Annabel griff nach dem glänzenden Umschlag und tastete ihn ab. »Fühlt sich komisch an. Da ist irgendwas Hartes drin.« Sie öffnete ihn und schaute hinein. »Ein Schlüssel!«, sagte sie verblüfft und ließ ihn aus dem Umschlag in ihre Hand gleiten.
    Der Schlüssel war klein, mit einem orangefarbenen Plastikgriff. Darauf war eine Nummer eingestanzt – 11 – und auf der anderen Seite die Buchstaben LSS.
    Michael nahm Annabel den Schlüssel aus der Hand und drehte ihn nachdenklich hin und her. »Sieht aus wie ein Spindschlüssel. Vielleicht gehört er zu einem Bücherspind in irgendeiner Schule. Oder einer Sporthalle.«
    »Oder einem Schwimmbad«, ergänzte Annabel.
    Michael gab George den Schlüssel und ging rüber zu Eric. Er machte ihm etwas Sorgen. Er saß immer noch teilnahmslos da und starrte auf sein inzwischen leeres Glas.
    »Soll ich dir noch ein Wasser holen?«, fragte Michael ihn behutsam.
    Eric nickte. Michael ging in die Küche, nahm ein sauberes Glas aus dem Schrank und drehte sich zur Spüle um. Im nächsten Moment fiel ihm das Glas aus der Hand und landete scheppernd auf ein paar Tellern. »Leute, kommt mal schnell her!«
    31
    Mitten auf dem Küchentisch stand eine Glasschale. Genau an der Stelle, an der in der Nacht zuvor das Telefon gestanden hatte. Sie war zur Hälfte mit Wasser gefüllt und ein bräunliches, fleischiges Etwas von der Größe einer Erwachsenenhand lag darin. Unter der Schale befand sich ein Blatt Papier, alt und fleckig, mit ausgefransten Rändern. Darauf stand ein kurzer Text, in zwei Absätze unterteilt und in einer verschnörkelten Handschrift verfasst.
    »Aber das ist unmöglich«, sagte George, ging hastig von einem Küchenfenster zum anderen und schaute nach draußen. »Ich war vor einer Minute in der Küche. Da hat das bestimmt noch nicht hier gestanden.«
    »Ja. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass du das übersehen hättest.« Michael schob einen Stuhl beiseite, um sich das Ganze aus der Nähe anzusehen,

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