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Remember

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Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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High Street, der äußerst bescheidenen Hauptstraße des Ortes. Am Ende der Straße Richtung Norden lag der Bahnhof. Nachdem sie sich an einem Kiosk die Times besorgt und einen raschen Blick auf die Mondlandungs-Schlagzeilen der übrigen Zeitungen geworfen hatten, stellten sie fest, dass ihr Ausbruch offenbar immer noch keine Zeile wert war. Das Gute daran: So könnten sie sich in London vermutlich einigermaßen unbehelligt bewegen.
    Anschließend kauften sie frisches Brot, ein paar Räucherwürstchen und zwei Flaschen Wasser für die Fahrt. Ein bescheidenes Mahl. Trotzdem lief Annabel das Wasser im Mund zusammen, als sie an den duftenden Kostbarkeiten schnupperte. Noch ein Tag Dosenfutter, und sie hätte eine Diät angefangen.
    Trotzdem entwickelte sich ihre kleine Auszeit nicht so unbeschwert, wie Annabel gehofft hatte.
    In den Geschäften wurde Michael überall freundlich begrüßt, man nannte ihn beim Namen und versuchte, mit harmlosen kleinen Fragen ins Gespräch zu kommen. Doch egal was die Leute auch versuchten, Michael blockte ab. Genau wie bei ihrer Ankunft vor zwei Tagen. Und während Michaels Stimmung sich zusehends verschlechterte, wurde auch Annabel immer nervöser und sie fragte sich, was hier vorging.
    Nachdem sie alle Besorgungen erledigt hatten, hielt sie es nicht mehr aus. »Ist etwas mit dir, Michael? Hast du was gegen diese Leute?«
    Michael sah sie lange an. »Diese Leute, wie du sie nennst, Anna – ich habe sie noch nie gesehen.«
    »Was?« Annabel blieb stocksteif stehen. »Wie kann das sein? Ihr kommt doch schon seit Jahren in dieses Dorf.«
    »Das stimmt auch. Als wir in Willowsend ankamen, hatte ich noch gehofft, es wäre Zufall, dass ich mich nicht an den alten Mann und den Jungen im Bus erinnern konnte. Aber jetzt bin ich mir sicher, dass ich die beiden noch nie zuvor gesehen habe. Genauso wenig wie die Leute in den Läden.«
    »Und was heißt das jetzt?«
    »Keine Ahnung. Zuerst unsere Eltern. Und jetzt das. Wenn es nicht diese mysteriösen Botschaften geben würde, würde ich denken, ich bin doch verrückt. Das, oder ich verliere nach und nach meine Erinnerungen.«
    Annabel krallte die Finger so fest um die Griffe des Lenkers, dass ihre Knöchel weiß wurden. Sie war froh, dass sie sich an etwas festhalten konnte.
    Es war eine Sache, nachts in albtraumhaften Halbschlafphasen an die schlimmste aller Möglichkeiten zu denken. Wenn aber der einzige Mensch, bei dem sie sich wirklich sicher und geborgen fühlte, so etwas laut aussprach, dann fühlte sich das an wie ein Faustschlag in den Magen. Sie wollte so etwas einfach nicht hören. Nicht hier, nicht jetzt und vor allem nicht von ihm.
    »Tut mir leid, Anna, dass ich es dir erzählt habe.« Michael ließ den Kopf hängen. »Ich hab damit die ganze Stimmung ruiniert.«
    Leider hatte er damit recht, dachte Annabel. Der unbeschwerte, romantische Moment war wohl vorbei. Zurück in die Geisterbahn. »Nein, es war richtig von dir. Sollen wir es auch den anderen sagen?«
    Michael dachte kurz nach. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir das für uns behalten. Wir sollten sie nicht noch mehr beunruhigen.«
    Er packte ihre Einkäufe in den kleinen Rucksack, den er aus dem Haus mitgenommen hatte, und dann fuhren sie gemeinsam durch die High Street bis zum Bahnhof.
    Auf dem Bahnhof von Willowsend herrschte Hochbetrieb. Viele Pendler, aber auch Familien machten sich an diesem Morgen auf die Reise. George gab sich alle Mühe, den vorbeieilenden Menschen aus dem Weg zu gehen. So wie in seinen Träumen schienen sie ihn einfach zu übersehen.
    Annabel und Michael waren noch nicht da gewesen, als er und Eric eingetroffen waren. Also hatte jeder auf seine Weise die Zeit totgeschlagen. George betrachtete es als einen persönlichen Sieg, dass Eric nicht mehr versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er war ihm in den letzten Tagen damit ziemlich auf die Nerven gegangen. Und es sprach nicht gerade für Erics Intelligenz, dachte George, dass er so lange gebraucht hatte, das zu kapieren. Leider machte die Aussicht auf einen weiteren Ausflug mit den drei Gutmenschen, wie er sie jetzt heimlich nannte, dieses kleine Triumphgefühl wieder zunichte. Und als er sah, wie Annabel und Michael in inniger Zweisamkeit auf den Bahnhofsvorplatz geradelt kamen und Eric ihnen wie ein treuer Hund entgegenlief, hätte er kotzen können.
    Bisher war es ihm nicht schwergefallen, sich im Hintergrund zu halten, während die anderen sich immer nähergekommen waren. Er hatte sich

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