Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
auch nur ein kleines bisschen dafür interessieren, ausspuckt. Die Amerikaner können das. Wenn sie wollen.«
»Willst du damit sagen, dass die Amerikaner etwas verheimlichen?«
Sylvia winkte ihren Kameramann herbei.
»Ich würde es so sagen: Sie fahren zumindest eine sehr reduzierte Informationsstrategie.« Sie grinste auf ihre sarkastische Art, die Christian nicht gefiel. »John fährt gleich zum Hubschrauberflugplatz Tivat, um auf einen Flug zum Unfallort zu warten. Unterhalten wir uns also jetzt.«
Der Kameramann schaltete die Lampe an seiner Kamera ein und nahm das Gerät auf die Schulter. Sylvia zauberte ein Mikrofon hervor, das sie sogleich Christian unter die Nase hielt.
»Doktor Brück, ihre zukünftige Frau war in der Unglücksmaschine. Wann...« »Du verdammtes Miststück!«, fauchte Christian Sylvia an, die keine Miene verzog. Er drehte sich abrupt um und marschierte davon. Durch das helle Licht der Kameralampe warf er einen langen Schatten auf das Kopfsteinpflaster des Platzes. Fast wäre er über einen hervorstehenden Stein gestolpert, nur mit Müh und Not fand er das Gleichgewicht wieder. Gleich darauf spürte er, dass ihn jemand am Arm packte. Obwohl er sah, dass es Rebecca war, riss sich Christian von ihr los.
»Diese Frau wollte mir mit Gewalt ein Interview abpressen«, sagte er außer Atem. Seine Stimme zitterte vor Wut.
»Was hat der Oberst zu dir gesagt?«
»Der Herr hat sich nicht zu einer Äußerung herabgelassen.«
»Beruhige dich«, sagte Rebecca scharf. »Er weiß nicht, was wir haben. Wir müssen die Kassette jemand anderem geben.«
»Gehen wir ins Hotel«, sagte Christian und hielt nach einem deutschen Journalisten Ausschau. Aber warum sollte ein deutscher Journalist anders sein als die anderen? »Ich muss telefonieren.«
»Ich auch. Wenn die Amerikaner und die Nato schon so einen wesentlichen Anteil an den Ermittlungen haben, dann versuche ich Marks Kollegen in Brüssel zu erreichen. Sie wissen vielleicht etwas.«
Sie schlängelten sich zwischen den Fahrzeugen der Medienvertreter, die auf dem Platz geparkt waren, hindurch. In eines davon lud gerade ein Kameramann seine Ausrüstung.
Ausrüstung.
Kamera?«
»Sehe ich aus wie ein texanischer Rentner auf Europareise?«, fragte der Kameramann zurück und schlug die Heckklappe seines Kombis zu.
»Ich meine als Ersatzkamera.«
»Als Ersatz habe ich eine DV-Sony«, sagte der Mann eine Spur freundlicher. »Profis benutzen keine analogen Geräte mehr.«
Innerlich fluchend ging Christian weiter.
»Meiner Meinung nach müssten wir die Kassette zur Polizei bringen«, sagte Rebecca. »Auf ein, zwei Stunden kommt es dabei nicht an. In einer Stadt dieser Größe wird es doch wohl ein Elektrogeschäft geben, in dem man ein passendes Gerät kaufen kann.« »Das gibt es höchstens in Kotor oder Budva.«
Sie bogen in eine dunkle Nebenstraße ein, wo es nach Rauch und Pferdemist roch. »Was der Oberst gesagt hat, macht mir Angst«, sagte Rebecca.
»Für alles wird es irgendwann eine Erklärung geben«, erwiderte Christian, auch wenn er eigentlich sagen wollte: Mir auch.
Die schmale, abgelegene Straße wurde von verfallenen, nicht mehr benutzten Eis-und Andenkenkiosken gesäumt, zwischen denen vergammelter Müll lag. Dieselbe Schar von Zigeunerkindern, die Sylvia zuvor verscheucht hatte, stürmte an ihnen vorbei. Allein der Gedanke an die dreiste Journalistin brachte Christians Blut erneut in Wallung. Er merkte, dass seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren. Die zerlumpten Kinder rannten mit schmutzigen nackten Füßen zu einem Bretterzaun, erklommen ihn und turnten darauf herum.
Christian und Rebecca bogen um die nächste Ecke und ließen das Lachen der Kinder hinter sich. Auf der anderen Straßenseite stand ein kleiner Mercedes mit laufendem Motor, bei dem sich einige Männer unterhielten. Als Christian und Rebecca näher kamen, stiegen sie ein.
»Das kann nicht wahr sein«, rief Rebecca aus.
»Was ist?«
Sie rannte über die Straße zu dem Auto, dessen hintere Türen gerade zugingen.
17
»Jack!«, rief Rebecca und schlug heftig gegen das Seitenfenster des Mercedes. »Jack ...«
Christian sah, wie die Scheibe des Heckfensters elektrisch heruntergelassen wurde, aber er konnte dahinter kein Gesicht erkennen.
»Rebecca, was machst du denn hier?«, fragte eine tiefe Männerstimme auf dem Rücksitz.
»Mark war in der Maschine... das weißt du doch?«
»Wir reden später«, kam es hastig vom Rücksitz. »Wir müssen los.« Der
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