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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Fahrer trat aufs Gas, und das Fenster schloss sich.
    »Warte ...« Rebecca klopfte an die Scheibe, während der Wagen losfuhr. »Ein Einheimischer hat am Unglücksort Sachen gefunden ...«
    Christian kam neben Rebecca zum Stehen und sah zu, wie das Auto auf der dunklen Straße davonglitt. Nur die Bremslichter leuchteten auf, als der Fahrer ohne Blinker an der nächsten Ecke rechts abbog. Stille legte sich über die Straße.
    »Das war Jack Lawrence, Marks Vorgesetzter bei der Nato.« Rebecca sprach leise. Sie rang um Fassung. »Er sah komisch aus in seiner Windjacke. Ich habe ihn noch nie in Zivil gesehen.«
    »Was macht er?«
    »Er leitet das NEWAC.«
    »Was ist das?«
    »Das Nato Electronic Warfare Advisory Committee.
    Jack ist Spezialist für elektronische Kriegsführung und Radartechnologie. Was hat das alles zu bedeuten?«
    Christian sah Tränen in Rebeccas Augen glänzen, und das schnürte auch ihm die Kehle zu. »Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden.«
    »Warum hat das Auto eben erst das Licht eingeschaltet, als es schon um die Ecke gebogen war?«
    Christian war das auch aufgefallen, aber erst Rebeccas Frage veranlasste ihn, darüber nachzudenken. »Vielleicht war der Fahrer zerstreut.«
    »Zerstreut? Ein professioneller Chauffeur, der Nato-Bonzen durch die Gegend kutschiert?«
    Andere Gründe schwirrten Christian durch den Kopf, und er wollte gerade einen davon nennen, als Rebecca ihm das Wort aus dem Mund nahm: »Vielleicht wollten sie nicht, dass die Nummernschildbeleuchtung angeht.«
    »Ein paranoider Gedanke«, sagte Christian niedergeschlagen und müde. Sie gingen weiter zum Ufer. Das Meer rauschte gedämpft, im Osten färbte sich der Horizont bereits rötlich. Der traumartige Medienkarneval hatte sich in einen seltsam menschenleeren Morgen verwandelt.
    »Wo sind die ganzen Einheimischen?«, wunderte sich Christian. »Vorhin war der Marktplatz doch noch voll von ihnen.«
    »Es wird allmählich hell. In der Nacht ist es leichter, neugierig zu sein. Vielleicht haben sie schlechte Erfahrungen gemacht, was die Einmischung in fremde Angelegenheiten betrifft. Die Menschen hier haben mehr blutige Brutalitäten zu Gesicht bekommen als alle anderen Europäer nach dem Zweiten Weltkrieg.«
    Sie bogen um eine Ecke, durchquerten einen kleinen, verwilderten Park und gelangten auf eine Straße, die mit Sicherheit diejenige war, die zum Hotel führte, denn Christian erinnerte sich noch an die stinkenden Müllsäcke an ihrem Rand.
    Plötzlich war er sicher, dass ihnen jemand folgte. Wieder die Zigeunerkinder? Er blickte kurz über die Schulter, sah aber niemanden.
    »Was ist?«, fragte Rebecca.
    »Nichts.«
    Sand knirschte unter ihren Füßen. Es roch nach Meer.
    Hinter dem Rezeptionsschalter des Hotels saß ein Kaugummi kauender junger Mann mit abstehenden Ohren; er langte hinter sich und nahm die Schlüssel von den dicken Messinghaken. Christians Blick fiel auf einen alten Mann im Foyer, der laut schnarchend in einem Sessel schlief.
    »In spätestens einer halben Stunde hole ich dich ab«, sagte Christian zu Rebecca. »Ich will vor der Bank stehen, wenn sie aufmacht.«
    In seinem Zimmer war es kühl; er schaltete das kastenförmige Wärmegebläse ein, aber es funktionierte nicht. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf dem Gerät angesammelt. Christian nahm die Kassette aus der Jackentasche, versteckte sie unter der Matratze und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen. Aus dem Hahn kam nur kaltes Wasser.
    Er machte die Tür zum Balkon auf, wo sich ein Blick auf das Meer in der Morgendämmerung bot. Vom Geländer blieb schwarzer Staub an seinen Händen haften. Er musste an seine Eltern denken, die er vor seiner Abreise aus Nizza angerufen und gebeten hatte, die Hochzeit abzusagen. Dann kam ihm der erste gemeinsame Moment mit Tina in dem Haus an der Cote d'Azur in den Sinn, das er unmittelbar zuvor gekauft hatte. Vom Balkon aus hatten sie die idyllische französische Landschaft bewundert und dazu Weißwein aus der Region getrunken. Als die Nachtigall im Garten zu singen anfing, hatten sie lachen müssen, denn alles war einfach zu perfekt gewesen. In der Nacht hatte Christian die schlafende Tina angeschaut und Angst verspürt, das Glück könnte plötzlich verloren gehen, sich in Luft auflösen.
    Er erinnerte sich, wie ihr Atem schwer geworden war und wie sie dann im Schlaf immer wieder panisch gesagt hatte: »Julia ... Julia ...« Verstört war sie aufgewacht, und Christian hatte sie gefragt, wer Julia

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