Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
dröhnte das Geräusch eines landenden Hornet-Jagdbombers der Fliegerdivision Karjala. Kurz darauf landete eine zweite Hörnet.
»Technisch wäre es also möglich, im Frachtraum Männer zu transportieren?«, versicherte sich Sohlman noch einmal im Schein der grellen Scheinwerfer.
»Der gesamte Rumpf der Maschine ist isoliert und wird unter Druck gehalten, auch der Frachtraum«, sagte Äberg, der Leiter des Flugbetriebs bei Finnair und zeichnete dabei einen groben Querschnitt der Maschine in seinen Notizblock. »Der untere Teil des Rumpfes besteht aus zwei Teilen, dem vorderen und dem hinteren Frachtraum. Dazwischen liegt der technische Bereich. Dort ist unter anderem die Klimaanlage untergebracht, in die unter Druck gehaltene Luft aus den Turbinen eingespeist wird. Die Anlage mischt die heiße Luft mit kalter Außenluft, und die Mischung wird dann im gewünschten Verhältnis in die Kabine geleitet. In der Kabine zirkuliert dieselbe Luft wie im Frachtraum.«
Sohlman wirkte skeptisch. »Wieso sind die Koffer nach dem Flug dann immer so kalt?«
»Die Passagiere erwärmen die Luft in der Kabine. Jeder einzelne mit einer Leistung von siebzig Watt. Das merken Sie, wenn die Maschine noch steht und die Klimaanlage noch nicht läuft. Tiere oder blinde Passagiere frieren da unten nicht, aber es ist kühler als oben, das stimmt. Wenn aber keine Fracht kommt, dürfte es keine Chance geben, hier jemanden zu verstecken ...«
»Es kommt keine Fracht. Verdammt noch mal, wir hätten die Koffer nach Thailand drin lassen sollen.«
»Und das hätten die Geiselnehmer akzeptiert?«
»Natürlich nicht.« Sohlman sah sich den vorderen Frachtraum an, der groß und gut ausgeleuchtet war. Man konnte dort in gebückter Haltung stehen. »Da könnte man doch bestimmt eine Zwischenwand einziehen?« »Eine Zwischenwand? In einem Flugzeug kann man nicht einfach irgendetwas einbauen. Alles muss von der Luftfahrtbehörde genehmigt werden ...«
»Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden. Es geht um jede Minute.«
Sohlman deutete mit dem Strahl seiner Lampe auf den Abschluss des vorderen Frachtraums, wo eine schmale, etwa zwei Meter tiefe Nische sichtbar wurde. Außerdem befand sich dort die abnehmbare Verkleidung des technischen Bereichs.
»Nehmen wir mal an, dort würde man eine leichte Zwischenwand einbauen ... Wäre das möglich?«
»Alles ist möglich, wenn man Zeit und Geld hat.«
»Zeit haben wir maximal zwei Stunden. Und auf Geld kommt es jetzt überhaupt nicht an.«
Der Leiter des Flugbetriebs schüttelte den Kopf. »Zwei Stunden? Wir sprechen hier über ein Projekt von zwei Tagen. Die Techniker können das besser beurteilen. Aber wir kriegen mitten in der Nacht keine Männer hierher...«
»Die Männer werden von Polizeiautos mit Blaulicht zu Hause abgeholt. Was ist mit dem Material?«
»Im Prinzip hätten wir geeignete Bleche auf Lager...«
»Gut. Fangen wir an, die Konstruktion zu planen.« Sohlman drehte sich beim Sprechen zum Terminal um. Die Hornets rollten hinter Halle drei, außer Sichtweite.
Sohlman überlegte. In die Nische passten drei Mann. Sie müssten im Versteck bleiben, solange nichts zu tun wäre. Nach dem Landen der Maschine hätten sie den Überraschungseffekt auf ihrer Seite. Ihren Einsatz könnte man zusammen mit den Behörden und den Sonderkommandos auf dem Zielflughafen koordinieren -je nachdem, um welches Land es sich handelte.
Jetzt ging es nur darum, geeignete Freiwillige zu finden. Und mit den Geiselnehmern musste auf Zeit gespielt werden, bis das Versteck fertig war. Sohlman beschloss, in die Innenstadt zurückzufahren, um sich an der Planung des Bustransports von Geiselnehmern und Geiseln zu beteiligen. Unterwegs würde er die Männer für das Versteck in der Maschine organisieren.
Vasa hätte Zlatan am liebsten wegen des eigensinnigen Gebrauchs der Plamyja zusammengestaucht, aber er schluckte seinen Zorn. Die anderen waren auf Zlatans Seite, und auch Vasa war sich seiner vorsichtigeren Haltung nicht mehr absolut sicher. Außerdem war den Finnen spätestens jetzt klar, wozu die Serben fähig waren, wenn sie wollten.
»Vater«, sagte Vasa leise auf Serbisch, als die Tür zwischen Staatssaal und Atrium aufging. Vor ihm stand ein unsicher wirkender älterer Mann. Vasa breitete die Arme aus.
Der Vater sagte jedoch nichts und umarmte ihn auch nicht. Stattdessen starrte er auf den Anblick hinter Vasas Rücken. Vasa wusste, was es dort zu sehen gab:
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