Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln
nicht früher Bescheid gesagt? Dann hätte ich die Genehmigung besorgt und Verstärkung mitgebracht...«
»Ich hab doch gerade gesagt, dass ich die Mitteilung erst nach meiner Ankunft in Arlanda erhalten habe.«
»Ich rufe Polizeipräsident Magnusson an und werde mich mit ihm beraten.«
»Du rufst nirgendwo an.« Timo riss Navarro das Telefon aus der Hand und steckte es in ein Fach der Mittelkonsole.
»Das geht jetzt aber zu weit.« Navarro war dermaßen vor den Kopf gestoßen, dass ihm die Worte fehlten.
»Genau. Das hier ist nämlich eine Ausnahmesituation, wie du mittlerweile begriffen haben solltest.« Timo bremste vor der Laderampe. Über der Tür leuchte groß der Buchstabe B. »Und in einer Ausnahmesituation muss man gelegentlich zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen.«
Timo stieg aus und atmete kräftig durch. Er war nicht nervös, und zum Zögern gab es keinen Spielraum, denn ihm war klar, dass er nur tat, was er tun musste. Er eilte die Stufen der Rampe zur Tür hinauf, wo mittlerweile ein SSG-Mitarbeiter in Uniform erschienen war. Navarro folgte widerstrebend.
»Hier lang«, drängte der Wachmann. »Sollen die Leute sofort raus?« »Unverzüglich. Zeigen Sie uns aber zuerst die Fracht. Hier ist der Code.« Timo gab dem Mann den Zettel mit der Nummer und folgte ihm den Gang entlang. Das Gebäude erinnerte an eine Zwischenform von Gefängnis und Lagerhalle. Die Beleuchtung war gut, und oben an den Wänden hingen Überwachungskameras. Im Gehen sprach der Wachmann in sein Funkgerät.
Navarro holte Timo ein und wollte etwas sagen, aber Timo bedeutete ihm, still zu sein. Beide blieben hinter dem Wachmann stehen, als dieser den Daumen auf den Fingerabdruckscanner legte. Man hörte ein lautes Surren, dann öffnete sich eine schwere Metalltür und gab einen breiten, für Gabelstapler bemessenen Gang frei.
Der Wachmann ging durch den hallenartigen, mit Regalen bestückten Raum zur gegenüberliegenden Tür. In den Regalen standen Kisten und Transportbehälter in unterschiedlichen Größen. Aus den Lautsprechern drang ein grelles Piepsen, anschließend erteilte eine Stimme auf Schwedisch den Evakuierungsbefehl.
Vor einer Tür aus rostfreiem Stahl, über der ein Plexiglaskasten mit Überwachungskamera angebracht war, blieben sie erneut stehen. Am Türrahmen war eine Iriserkennung installiert, der Wachmann hielt sein rechtes Auge davor und drückte anschließend auf eine Taste. Die Tür glitt auf.
Timo betrat die Nullzone, in der die Wertfrachten aufbewahrt wurden. Die mit Ziffern und Buchstaben markierten Regale enthielten Geldbehälter aus Kunststoff, Aluminiumkassetten, Attache-Mappen aus Hartplastik und gewöhnliche braune Kartons. Bargeld, Wertpapiere, Schmuck, Patenturkunden, seltene Edelmetalle, die in der Industrie verwendet wurden, Kaufverträge.
»Reihe 6, Regal C, Ebene 2«, sagte der Wachmann schnell. Timos Aufmerksamkeit richtete sich auf eine Kiste aus groben Brettern, die auf einer Palette stand. Der Wachmann blieb davor stehen, griff nach dem Etikett mit dem Strichcode, das mit einer Kunststoffschnur befestigt war, und nahm den schnurlosen Scanner, der an seinem Gürtel hing, in die andere Hand. Als er den Strichcode einlas, leuchtete das gleiche Rotlicht auf, das man von Supermarktkassen kannte.
»Das ist es.«
Timo schaute auf die Kiste, die etwa einen Meter Kantenlänge hatte. Mit Schablonen waren Buchstaben und chinesische Schriftzeichen aufgemalt worden.
»Wir bringen sie nach draußen«, sagte Timo. »Holen Sie einen Stapler!« Der Wachmann machte sich sogleich auf den Weg.
Navarro starrte Timo mit einer Miene an, die unmöglich zu deuten war. Aber wenigstens hatte der Schwede noch nicht verraten, dass das mit der Bombendrohung nur ein Trick war.
»Ich erkläre dir später alles«, flüsterte Timo. »Ich habe keine andere Wahl...«
Das gedämpfte elektrische Sirren des Gabelstaplers näherte sich ihnen von hinten. Der Wachmann hob die Kiste mit der Lastgabel an und rief: »Ist das sicher, die so zu transportieren? Sollten wir nicht warten, bis...« »Nein, schaffen Sie die Kiste raus, wir sehen sie uns dort an.« »In der Kiste befindet sich ein RFID-Chip, der an der Tür Alarm auslöst, wenn er nicht deaktiviert wird.«
»Soll er ihn ruhig auslösen. Sie können das dann als Fehlalarm deklarieren. Jetzt raus damit!«
Timo marschierte aus der Nullzone und ging den Gang entlang bis zur nächsten Tür. Zum Glück war die Wachkabine daneben leer. »Timo ...«, sagte Navarro,
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