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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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rausbekommen kann.«
    Navarro kam mit dem Wasserkocher zurück und schaute die finnisch sprechende Johanna fragend an.
    Diese schaltete sogleich auf Englisch um: »Radovan Jankovics Komplize kann vom Balkan stammen, aber die Linguisten, die das Band, auf dem er zu hören ist, untersucht haben, sind der Meinung, dass in dem Englisch des Mannes nicht nur ein serbischer Akzent, sondern auch etwas schwedische Intonation zu er kennen ist. Wir nehmen daher an, dass er zumindest einige Zeit in Schweden gelebt hat.«
    Navarro goss das heiße Wasser in die Teekanne und hantierte vorsichtig mit dem Teefilter.
    »Und überhaupt«, fuhr Johanna fort, »ist die Schwelle, vom Balkan nach Riihimäki zu kommen, um dort eine so komplizierte Aktion durchzuführen, ziemlich hoch. Außerdem haben sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Hilfe von finnischer Seite erhalten.« Navarro goss das Getränk, das aussah wie fahles Spülwasser, in die Tassen.
    »Hast du die selbst bemalt?«, wollte Johanna wissen.
    Timo warf ihr einen Blick zu, um zu sehen, ob sie mit Navarro einen Scherz trieb.
    »Ich war in einem Kurs«, antwortete Navarro mit bescheidenem Stolz in der Stimme. »Die gelbe hier war meine erste, ist aber trotzdem ganz anständig gelungen, oder?«
    »Elegant«, sagte Johanna höflich.
    Timo verzichtete auf Lob. Er fing Johannas Blick auf, als Navarro seine Aufmerksamkeit auf das Tablett richtete. Johanna lächelte Timo schelmisch an.
13
    Vasa hatte immer ein zwiespältiges Verhältnis zu Slobos finnischer Freundin gehabt. Abschätzig musterte er die junge Frau, die vor ihm saß. Jasmin war einundzwanzig, sah aber jünger aus. Braune Augen, dunkle Locken. Das vegetarische Essen hielt sie schlank, sie wirkte in jeder Hinsicht gut in Form und hellwach. Dennoch waren in ihrem Gesicht Spuren eines harten Lebens zu erkennen. Vasa hatte Jasmin kennen gelernt, als sie ihm die für seine Examensarbeit notwendigen finnischen Zeitungsausschnitte übersetzt hatte. Sie war scharfsichtig und clever, aber Vasas Versuche, sie dazu zu überreden, das Abendgymnasium zu besuchen, waren ergebnislos geblieben. Vielleicht war sie einfach zu wild und zu entwurzelt für diszipliniertes Lernen.
    Auch wenn Jasmin etwas Anarchisches und Aggressives an sich hatte, so war sie doch auch aufrichtig und zuverlässig. Beides waren Eigenschaften, die Vasa an Menschen schätzte. Darum hatte er es auch gewagt, Jasmin für die Vorbereitung der Aktion in Riihimäki anzuheuern. Das Mädchen hatte ihren Preis gekannt - war ihn aber auch wert gewesen. Jasmin hatte in Riihimäki den geeigneten Gefängniswärter ausfindig gemacht und dessen Frau observiert, um ein Bild von deren täglicher Routine zu bekommen. Für Ausländer wäre es viel schwieriger gewesen, auf diese Weise in Finnland zu operieren.
    Zu Vasas Überraschung hatte Jasmin die Anweisung befolgt, nicht einmal Slobo von dem Vorhaben zu erzählen.
    Vasa lernte Jasmin immer mehr schätzen.
    »Ich habe es in den Nachrichten gehört«, flüsterte sie ernst und blass. »In den finnischen Nachrichten ... Was ist schiefgegangen?« Vasa musste sich Mühe geben, um seine Gefühle im Zaum zu halten. »Alles«, sagte er und schluckte. »Das heißt eigentlich nur meine Einschätzung der Polizei. Ihr Finnen seid verdammt viel risikobereiter als die Schweden.«
    Jasmin lachte kurz auf. »Das hätte ich dir vorher sagen können, du hättest mich nur fragen müssen.«
    »Sie haben die Risiken ganz anders abgewogen, als es hierzulande getan worden wäre«, sagte Vasa. Es tat ihm gut, mit jemandem über das Thema reden zu können. Vorab hatte er seinen Plan nur mit Radovan durchgesprochen. »Die Polizei hat das Leben der Geisel aufs Spiel gesetzt. Das Leben einer Bürgerin ihres eigenen Staates! Ich frage mich, wer die Geisel hätte sein müssen, damit sie ihr Leben nicht aufs Spiel gesetzt hätten.«
    »Finnland liegt in dieser Hinsicht näher an Russland als an Schweden. Man hat in Finnland eine ganz andere Einstellung gegenüber der Obrigkeit als hier. Bei uns sind die hohen Herren und das Volk noch getrennt. Und das Volk hasst und verehrt die hohen Herren gleichzeitig. Beides sind starke Gefühle. Du solltest mal das Pathos sehen, mit dem das Volk der Elite beim Feiern des Unabhängigkeitstages zuschaut. Alle, die in Finnland Rang und Namen haben, werden dann in die Residenz des Präsidenten eingeladen. Minister, Abgeordnete, die wichtigsten Beamten, Wirtschaftsbosse, Kulturleute. Und Millionen Bürger gucken

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