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Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln

Titel: Remes, Ilkka - 6 - Die Geiseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geiseln
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Vater um Sie gekümmert?« »Für so etwas hatte er keine Zeit. Vasa und ich wurden nach Schweden in Sicherheit gebracht. So behauptete es mein Vater wenigstens. Ich glaube, er wollte uns nur loswerden. Radovan blieb und kämpfte und trug die Ehre der Familie als Offizier weiter. Die Ehre ist bei dem Ganzen aber später ziemlich abgebröckelt, denke ich. Das Töten hört nicht auf.« Mila drückte die Zigarette in einem verzierten Aschenbecher aus und sah Johanna in die Augen.
    »Das Töten muss irgendwann ein Ende haben. Schauen Sie in den Nahen Osten, dort scheint sich die Spirale der Rache endlos weiterzudrehen.« »Was für ein Verhältnis haben Sie heute zu Ihrem Vater?«, fragte Johanna.
    Mila ging ans Fenster und blickte über die Dächer. In der Ferne waren Leuchtreklamen zu sehen, hier und da Dachfenster, in denen Licht brannte.
    »Bei dem Prozess in Den Haag sind viele Dinge ans Tageslicht gekommen, viele Behauptungen, immer neue Berichte von Grausamkeiten. Die hatten nichts mit dem Vater zu tun, den ich kannte.« Mila drehte sich wieder zu Johanna um. »Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt.«
    »Und Ihr Verhältnis zu Ihrem Bruder?«
    »Jedes Mal, wenn ich Radovan traf, schwor er, unseren Vater zu befreien. Als ich einmal sagte, dass die Behauptungen über das, was unser Vater im Krieg getan hat, ja womöglich stimmten, regte Radovan sich auf und schimpfte mich eine Verräterin. Danach hatten wir eigentlich keinen Kontakt mehr. Einerseits verstehe ich, dass er unseren Vater retten wollte, aber ich kann nicht akzeptieren, dass Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden.«
    »Und Vasa?«
    »Ungefähr die gleiche Geschichte. Aber Vasa lebt schon länger in Schweden, in ihm steckt nicht diese Unerbittlichkeit und Härte wie in Radovan. Ich weiß, dass sich auch Vasa sehr nach seinem Vater sehnt. Aber das ist eine andere Art von Sehnsucht als bei Radovan, sie ist irgendwie distanzierter und nostalgischer. Vasa ist sentimentaler, als Radovan es war, er hat mehr von unserer Mutter.« »Was treibt er denn so?«
    »Er ist an der Uni eingeschrieben, internationale Politik und Massenkommunikation und so etwas. Aber er wird wohl nie einen Abschluss machen. Eigentlich weiß ich gar nicht, was er den ganzen Tag so treibt.«
    »Was denken Sie, in welchen Kreisen könnte er verkehren?« »In ziemlich seltsamen. Seine Kumpels sind ein bisschen komisch.« »Serben?«
    »Schweden und Serben, hange Männer, die sich aufspielen. Vasa ist intelligent und kein primitiver Typ. Ich kann nicht verstehen, warum er solche Gesellschaft sucht. In letzter Zeit hatten wir kaum etwas miteinander zu tun. Als würde mich das Schicksal unseres Vaters auch von Vasa trennen.«
    Mila hatte sich wieder dem Fenster zugewandt und blickte auf die Dächer der Stadt. Johanna glaubte zu sehen, wie ihre Augen feucht wurden, war aber nicht sicher, ob es nur durch die Spiegelung der Fensterscheibe so wirkte.
    »Und wissen Sie was? Ich bin glücklich darüber, keinen Kontakt zu meinen Brüdern gehalten zu haben. Wenn Sie zu mir gekommen sind, um Vasa nachzuspionieren, kann ich Ihnen ehrlich sagen, dass ich keine Ahnung habe, wo er steckt und was er tut. Ich kann Ihnen keinerlei Information bieten, die meinen noch lebenden Bruder denunzieren könnte«, zischte Mila.
    »Aber Sie haben Vasa am Freitag, dem 23., getroffen?«
    »Sie haben gehört, was ich Ihnen gesagt habe! Ich weiß nichts von Vasas Angelegenheiten und will auch nichts davon wissen ... Gehen Sie jetzt! « Johanna ging ruhig zur Tür. Mila Jankovic war kein Mensch, bei dem man psychologische Kartentricks anwenden konnte. Johanna merkte, dass sie die Redebereitschaft der jungen Frau falsch eingeschätzt hatte. Ganz offensichtlich wusste sie mehr, als sie sagte. Eventuell wollte sie sogar etwas Wesentliches mitteilen, indem sie ihr Schweigen so stark betonte: Sie wollte ihren Bruder nicht denunzieren, befürwortete aber auch nicht, was er tat.
    Auf der Straße angekommen, rief Johanna Timo an. »Bist du immer noch an Vasa dran?«
    »Ich warte noch bei der Reifenhalle auf ihn, aber nicht mehr lange.«
    »Nein, warte nur in aller Ruhe. Durch Mila habe ich den Eindruck bekommen, dass es in Vasas Richtung qualmt. Ich komme zu dir. Sag mir die Adresse.«
    »Warte... Jetzt kommen die Typen heraus. Du schaffst es nicht mehr rechtzeitig. Ich folge Vasa und halte dich auf dem Laufenden.«
    »Sei vorsichtig!«
    Timo legte das Handy weg und heftete den Blick fest auf den Landrover, der gerade

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