Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
Auto. Er bemerkte einen Graben, der von dichtem Gras überwachsen war.
Roni sah die bewaffneten Polizisten langsam näher kommen. Er blickte auf Steglitz und registrierte, dass dieser sich leicht bewegt hatte. Dann blickte er zu Boden und begriff, was der Schwede vorhatte. Er stand bereits unmittelbar neben der Waffe, die auf der Erde lag.
In dem Moment agierte Steglitz blitzschnell.
»Vorsicht«, rief Roni und stürzte sich auf Steglitz.
Dieser hob verblüffend schnell die Pistole auf, wich Ronis Angriff mit einer flinken Drehung aus, packte den Jungen an der Kehle und hielt ihm die Pistole an die Schläfe. Alles geschah im Bruchteil einer Sekunde.
»Die Waffe weg!«, brüllte ein Polizist.
Steglitz reagierte nicht und hielt Roni weiterhin die Pistole an den Kopf. »Keinen Schritt weiter, oder ich erschieße ihn«, rief Steglitz auf Schwedisch. Roni versuchte, in Steglitz' starker Umklammerung Luft zu holen. Die Polizisten standen auf der Stelle, die Sekunden verrannen. Gleichzeitig wurde Roni die Situation in all ihrer Brutalität bewusst. Aus den Augenwinkeln konnte er das Auto sehen und bemerkte, dass sein Vater verschwunden war. Kimmo stand kreidebleich und vollkommen handlungsunfähig da. »Sprechen Sie Schwedisch?«, rief Hellevig dem Polizisten mit dem Megafon zu.
»Schlecht. Reden Sie Englisch.«
»Verständigen Sie Oberinspektor Paatsama von der staatlichen Sicherheitspolizei!«
Roni erschrak. Hatte er richtig gehört?
Der Polizist sah seine Kollegen ungläubig an. Mit was für einem Verrückten hatten sie es hier zu tun?
»Sagen Sie ihm, es ginge um die Firma Zentech.«
Tero atmete unter dichten Fichtenzweigen keuchend ins Moos und hörte Hellevigs unfassbare Sätze aus zwanzig, dreißig Metern Entfernung. Er war im Graben entlanggerobbt, bis er Ronis Aufschrei gehört hatte.
»Ich verlange, dass sich niemand unserem Auto nähert und unser Gepäck anrührt, bevor Paatsama eingetroffen ist«, sagte Hellevig energisch. 207
Tero hob vorsichtig den Kopf und schob einen Zweig so weit zur Seite, dass er die Lichtung sehen konnte. Ein Polizist sprach in sein Funkgerät. Steglitz zwang Roni und Kimmo mit der Waffe in den Vito.
Tero war rasend vor Wut und fürchtete sich gleichzeitig zu Tode. So hilflos wie in diesem Moment hatte er sich noch nie gefühlt.
54
Auf der breiten Fensterbank standen zwei Kakteen vor der heruntergelassenen Jalousie, durch deren Schlitze man auf die Ratakatu in der Helsinkier Innenstadt blickte.
Oberinspektor Paatsama schnappte sich seinen Mantel vom Haken neben der Tür. Sein Telefon hielt er ans Ohr und lauschte dem diensthabenden Polizisten in der Zentrale. »Aber wir haben es mit einer Geiselnahme zu tun. Wir müssen ...«
»Ich habe gehört, womit wir es zu tun haben.« Paatsama zog sich den Mantel über. »Ich fahre zuerst allein hin und fordere dann je nach Bedarf Verstärkung an.«
»Die Sicherheitspolizei übernimmt also die volle Verantwortung für dieses Vorgehen?«
»Selbstverständlich«, sagte Paatsama und unterbrach die Verbindung. Er trat auf den Gang, wählte eine neue Nummer und eilte im Laufschritt zum Treppenhaus.
»Paatsama hier«, sagte er leise. »Es geht um Zentech. Ich warte vor dem Eingang im Auto auf dich, in zwei Minuten ... Ja, du hast richtig gehört.« Draußen rannte Paatsama fast zu seinem Wagen, obwohl die Last, die plötzlich auf seinen Schultern lag, alle seine Bewegungen zu bremsen schien. Aber er durfte jetzt keine Panik aufkommen lassen, ganz gleich, was da in Östersundom auch passiert sein mochte oder vor sich ging. Vielmehr musste er sich die richtige Vorgehensweise zurechtlegen. Das Problem war nur, dass es in dieser beschissenen Situation schwer zu sagen war, was man am besten tun sollte.
Er fuhr in seinem silbernen Toyota auf die Fredrikinkatu und gab sich Mühe, aufmerksam zu bleiben, trotz des Sturms, der in seinem Innern tobte. Dennoch musste er bald selbst feststellen, dass er kaum auf den Verkehr achtete. Bei Hagelstams Antiquariat bog er in die Uudenmaankatu ein und fuhr über Korkeavuroenkatu und Kasarmikatu zum Kasarmitori, dem großen Platz, wo das Oberkommando der finnischen Streitkräfte in einem prächtigen neoklassizistischen Gebäude sein Hauptquartier hatte.
Als er vor dem Eingang anhielt, kam ein etwa sechzigjähriger, betont aufrecht gehender Mann in Zivil heraus. Die kurzen Haare, das sorgfältig rasierte Kinn, die gepflegte Kleidung und die sportliche Erscheinung - all das passte perfekt zum Amt des
Weitere Kostenlose Bücher