Remes, Ilkka - 8 - Tödlicher Sog
wie am Tor.
Auch die Tür ging problemlos auf. Von der dunklen Eingangshalle aus eilte Tero die Treppe nach oben und tastete sich an den Möbeln entlang zu der dunklen Tür neben der Terrassentür vor. Sie war verschlossen, ließ sich aber mit demselben Code öffnen wie die beiden Türen zuvor.
Durch die Außenbeleuchtung unter den Bäumen fiel ein grünlicher Schein ins Zimmer. In diesem Licht ging Tero auf den Kamin zu. Er drückte auf einen Stein, und der Mechanismus öffnete die Schutzklappe des Tresors. Es war eine furchtbare Situation für Tero: Er war im Begriff, Ronis Sponsor zu bestehlen. Damit setzte er die Karriere seines Sohnes aufs Spiel. Allerdings war die ohnehin längst in Gefahr. Und wenn tatsächlich ein Platz für Roni bei McLaren frei würde, wäre es nicht schwer, neue Sponsoren anstelle von Marcus Grotenfelt zu finden.
Die Tasten mit den Ziffern leuchteten grünlich. Tero hob die Hand und machte sich bereit, die zweite Ziffernfolge einzugeben. In dem Moment vibrierte das Telefon in seiner Tasche. Tero riss es heraus. »Ja?«, flüsterte er.
»Marcus kommt zurück«, sagte Roni in Panik. »Fährt gerade auf die Einfahrt zu. Komm sofort raus da!«
Tero hörte von draußen das Grollen eines Motors. Er eilte ans Fenster und sah, wie sich vor dem Ferrari langsam das Tor öffnete.
»Bleib, wo du bist. Ich komme«, sagte Tero und schaltete das Handy aus. Er eilte zum Tresor zurück und kämpfte dabei gegen die aufsteigende Panik. Mit angehaltenem Atem tippte er die Ziffern ein.
Ein leises Piepsen ertönte, und ein rotes Licht leuchtete auf.
Tero lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ein lautloser Fluch entwich seinen Lippen.
Wie viele Fehlversuche würde das System zulassen, bevor der Alarm losging? Oder wurde die Sicherheitsfirma schon beim ersten Fehlversuch informiert? Tero schloss die Augen und ging im Geiste noch einmal die Ziffernfolge durch. Der Fehler musste bei der letzten Nummer liegen, die er nicht genau gesehen hatte. Sie musste statt in der mittleren in der unteren Reihe liegen, es war also wohl die Acht und nicht die Fünf.
Tero tippte die neue Folge mit angehaltenem Atem ein: 3368.
Wieder das gedämpfte Piepsen und das rote Licht.
Draußen hörte man ein leichtes Poltern. Das Garagentor ging auf. Marcus würde jeden Moment das Haus betreten.
Die letzte Ziffer war also immer noch falsch. Die Zwei statt der Acht? Er hörte, wie unten die Haustür aufging. Tero hielt die Panik mit aller Macht im Zaum. Mit zitterndem Finger tippte er: 3362.
Der Tresor blieb verschlossen, und es liefen rote digitale Buchstaben über das Display in der Tür: LOCKED.
Tero erschrak und drückte auf den Stein am Kamin, damit der Tresor wieder unter seiner Abdeckung verschwand. Dann eilte Tero zur Tür. Er hörte bereits Schritte auf der Treppe. Marcus kam herauf.
Tero zog die Tür hinter sich zu und war mit einem Satz bei der Terrassentür, die er lautlos öffnete. Draußen stieg er über die Balustrade und ließ sich von der Balkonterrasse herab. Er hing am unteren Rand der Balustrade, schlang die Beine um eine dicke, weiße Säule, umfasste diese dann auch fest mit den Händen und ließ sich langsam nach unten gleiten, bis er sicher auf den Rasen springen konnte.
Unten angekommen, rollte er sich ab, um den Aufprall zu dämpfen, huschte auf die Straße und verlangsamte dort sofort seine Schritte. Sobald er die Wagentür öffnete, ließ Roni den Motor an, wendete um hundertachtzig Grad und fuhr in Richtung Calle des Balmes davon, weg von Marbella. »Hast du die Nummer?«, fragte Roni.
Tero starrte schweigend auf die dunkle Bergkette im Süden. Auf der Straßenböschung wuchsen trockene Sträucher, und um die Werbetafeln an den Hängen der links aufragenden Berge stand dürre Vegetation. »Nein«, sagte Tero schließlich. »Der Code zum Tresor war falsch.« Roni trat aufs Gaspedal, und das Auto schoss auf der kurvenreichen Straße noch schneller vorwärts.
»Der ganze Versuch war von Anfang an bloß ein Strohhalm, an den wir uns geklammert haben«, sagte Roni.
»Wir müssen uns was anderes einfallen lassen.«
»Was anderes? Toomas will den Schließfachcode morgen haben.« Tero antwortete nicht.
»Und wenn wir einfach weiterfahren und nie mehr nach Finnland zurückkehren?«, überlegte Roni.
»Flucht ist keine Lösung.«
Tero konnte Roni nicht sagen, dass er sein Verbrechen später büßen sollte, nach seiner Karriere. Aber jetzt, genau in diesem Moment, war es unumgänglich, Toomas'
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