Renate Hoffmann
kühlen Boden. Sie genoss den Gedanken, dass sie ihm ausgeliefert war. Immer, wenn Henning das getan hatte, hatte sie sich auf eine fast übernatürliche Art wahrgenommen. Sie hatte sich in diesen Augenblicken immer auf eine unbeschreiblich intensive Art gespürt. Ihr Atem wurde lauter und Muskeln zogen sich zusammen. Und plötzlich hielt Henning inne. „Sag mir, was es ist, oder ich höre auf...“, sagte er beschwörend. Renate japste nach Luft, dann packte sie einen Kopf und drückte ihn wieder nach unten. Sie hörte Henning lachen, dann machte er weiter.
„Willst du denn gar nicht wissen, was ich dir schenke?“, fragte Henning außer Atem.
„Du würdest es mir ja doch nicht sagen...“
„Na, das käme ganz darauf an...“, sagte Henning lachend.
„Worauf?“, fragte Renate schwer atmend.
„Na, was du bereit wärst dafür zu tun...“
Kapitel 75
Als Renate am nächsten morgen aufwachte, war Henning weg. Verwundert stand sie auf und ging in die Küche, wo sie einen Zettel vermutete, jedoch keinen vorfand. Renate machte sich einen Kaffee und setzte sich auf die Terrasse.
Zwanzig Minuten später hörte sie, wie Henning schwer atmend die letzten Stufen in den fünften Stock hinaufstieg. Neugierig öffnete sie die Tür. Als sie Henning entdeckte, sah sie, dass er nichts bei sich hatte. Nicht einmal eine Tüte, oder einen kleinen Karton. Henning strahlte sie an.
„Ja und wo ist die Überraschung?“, fragte sie und klopfte auf seine Hosentaschen, die leer zu sein schienen.
Henning lachte. „Die wirst du niemals finden...“, sagte er triumphierend. Renate lief einmal um ihn herum und tastete ihn ab. „Wenn ich dir doch sage, dass du sie nicht finden wirst...“
Renate blieb stehen. Unter ihrer Hand spürte sie eine weiche Stelle. Es fühlte sich an, wie ein großes Pflaster, oder ein Verband. „Ich glaube, ich habe sie gefunden...“, sagte sie und schaute Henning an.
„Ich will es sehen...“, sagte Renate ungeduldig. Sie stand hinter Henning, der gerade dabei war sein T-Shirt auszuziehen.
Er drehte sich zu ihr. „Los, zieh es ab...“ Renate streckte ihre Hände aus. „Aber bitte sei vorsichtig...“ Sie zupfte vorsichtig an einer Ecke, bis diese sich von seiner Haut löste, dann nahm sie sie zwischen Daumen und Zeigefinger und zog das Pflaster behutsam ab. Fassungslos starrte sie auf Hennings Brust. „Gefällt es dir nicht?“, fragte er enttäuscht. Renate betrachtete die Tätowierung. Es war die wundervollste Liebeserklärung, die er ihr hatte machen können. „Nati?“
Renate schaute in Hennings erwartungsvolle Augen. „Hast du das entworfen?“ Henning nickte. Renates Augen füllten sich mit Tränen. „Das ist das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe...“
Er bückte sich und küsste sie. „Ich liebe dich, Nati“, sagte Henning und schloss Renate fest in seine Arme, wobei er darauf achtete, dass sie seine frisch gestochene Tätowierung nicht berührte.
„Und ich liebe dich...“
„Halt bitte still...“, sagte Renate. Henning bewegte sich nicht. Die drückte auf den Auslöser, und weil sie sicher gehen wollte, dass das Bild perfekt würde, machte sie mehrere hinter einander.
„Und wo ist meine Überraschung?“, fragte Henning erwartungsvoll. Renate lächelte und verschwand im Schlafzimmer. Wenige Augenblicke später kam sie zurück. Ihre Hände versteckte sie hinter ihrem Rücken. Sie war sich sicher, dass er mit dieser Überraschung niemals rechnen würde. Und es freute sie, dass sie sich gegenseitig überraschen konnten, denn das setzte voraus, dass man den anderen wirklich kannte, es setzte voraus, dass man zwischen den Zeilen lesen konnte, und es setzte voraus, dass man aufmerksam war.
Kapitel 76
„Du wolltest mir vorhin ein Foto zeigen...“, sagte Herr Hofer und zündete sich eine Zigarette an. Frau Hoffmann wusste nicht mehr, welches sie ihm hatte zeigen wollen, sie hatte es vergessen. Herr Hofer schien von ihrem Gesicht ablesen zu können, dass sie sich zu erinnern versuchte. „Du hattest kurz zuvor von eurem Jahrestag erzählt...“ Bei diesem Stichwort fiel es ihr wieder ein. Sie griff in den Karton und wühlte in den Fotos, bis sie nach einer Weile einen Umschlag fand, auf dem in Hennings Schrift Liebeserklärungen stand. Sie nahm den Umschlag heraus und zog zwei Fotos hervor. Frau Hoffmann betrachtete sie.
Auf dem ersten Foto war Henning. Auf seinem nackten Oberkörper war eine frisch gestochene Tätowierung zu sehen. Man konnte
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