Rendezvous im Hyde Park
zurück. Sie glaubte zwar nicht, dass er sie an einem so öffentlichen Ort schlagen könnte, aber schließlich war er auch vor dem gesamten Klub auf Sebastian losgegangen. Es schien ratsam, auf Abstand zu gehen.
„Ich habe nicht Ja gesagt", wiederholte sie, weil er nicht reagierte. Er sah sie nur mit Gewitterblick an, und einen Augenblick befürchtete sie, ihn könnte der Schlag treffen.
Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie jemanden derart wütend gesehen. Spucke sprühte aus seinen Mundwinkeln, seine Augen drohten ihm fast aus den Höhlen zu treten. Es war ekelhaft. Er war ekelhaft.
„Du wirst gar nicht gefragt", stieß er schließlich hervor.
Doch seine Stimme war immer noch ein harsches Flüstern.
„Du bist verkauft beziehungsweise gekauft worden, und nächste Woche machst du die Beine breit und erfüllst bei mir deine Pflicht. Und du wirst das so lang machen, bis du einen gesunden Jungen auf die Welt bringst. Kapiert?"
„Nein", sagte Annabel. Ihre Stimme klang vollkommen klar. „Keineswegs."
Lassen Sie mal sehen, Lady Louisa, welche Szene haben Sie denn ausgesucht?" Mit verschmitztem Grinsen griff Sebastian nach Miss Sainsbury.
Das Buch war auf den Teppich gefallen, als Annabel es ihm aus der Hand geschlagen hatte. Was für ein Spaß, dass er aus seinem eigenen Werk vorlesen durfte. Ein wenig absurd war es ja schon, dass er Miss Sainsbury spielen sollte, aber er hatte genug Vertrauen in seine Männlichkeit und glaubte, er könne die Aufgabe mit Bravour erledigen.
Außerdem war er in diesen Dingen ziemlich gut, auch wenn er selbst das sagte. Da war es auch egal, dass er, als er das letzte Mal vor Publikum gelesen hatte, von einem Tisch gefallen und sich die Schulter ausgerenkt hatte. Er bedauerte das nicht im Geringsten. Er hatte die Hausmädchen zu Tränen gerührt. Zu Tränen!
Es war ein herrlicher Augenblick gewesen.
Er nahm das Buch und richtete sich wieder auf, um es Louisa zu reichen, damit sie die Stelle wiederfinden konnte.
Doch dann sah er ihre besorgte Miene und hielt inne. Er folgte ihrem Blick und drehte sich um.
Annabel stand in der Nähe der Tür. Sein Onkel auch.
„Ich hasse ihn", wisperte Louisa heftig.
„Ich mag ihn auch nicht besonders."
Louisa packte ihn mit einer Kraft am Arm, die er ihr nicht zugetraut hätte, und als er sich zu ihr umdrehte, war er von der Wildheit in ihrem Blick verblüfft. Normalerweise war sie ein so farbloses kleines Ding, doch in diesem Augenblick brannte sie förmlich.
„Sie können nicht zulassen, dass sie ihn heiratet", sagte sie. Sebastian drehte sich zur Tür um und kniff die Augen zusammen. „Ich habe nicht die Absicht."
Erst einmal wartete er jedoch ab, ob sich die Lage von selbst entspannen würde. Um Annabels willen wollte er keine Szene machen. Er war sich vollkommen bewusst, dass Lady Challis das Grey-Winslow-Newbury-Trio als Hauptunterhaltungsquelle für ihre Hausgesellschaft eingeplant hatte. Alles, was auch nur entfernt nach Skandal roch, würde binnen weniger Tage dann in ganz London die Runde machen. Da nahm es nicht wunder, dass alle Blicke im Raum auf Annabel und Lord Newbury gerichtet waren.
Wenn sie nicht zu Sebastian schweiften.
Wirklich, er hatte jede Absicht, sich nicht provozieren zu lassen. Doch als sein Onkel anfing zu beben und zu schäumen, sein Gesicht vor Wut rotfleckig anlief und er Annabel irgendetwas zuzischte, konnte Sebastian sich nicht mehr zurückhalten.
„Gibt es irgendein Problem?", fragte er in kühlem, glat-tem Ton, während er schräg hinter Annabel Posten bezog.
„Das geht dich nichts an", spie ihm sein Onkel entgegen.
„Da bin ich anderer Ansicht", erwiderte Sebastian ruhig.
„Eine Dame in Nöten geht mich immer etwas an."
„Die Dame ist zufällig meine Verlobte", fuhr Newbury ihn an, „daher wird sie dich nie etwas angehen."
„Stimmt das denn?", fragte Sebastian Annabel. Nicht weil er es glaubte, sondern weil er ihr Gelegenheit geben wollte, es in aller Öffentlichkeit abzustreiten.
Sie schüttelte den Kopf.
Darauf wandte Sebastian sich wieder an seinen Onkel.
„Miss Winslow scheint unter dem Eindruck zu stehen, dass sie nicht deine Verlobte ist."
„Miss Winslow ist ein Dummkopf."
Sebastians Inneres verkrampfte sich, in seinen Fingern begann es merkwürdig zu prickeln, so als wollten seine Hände sich wie von selbst zur Faust ballen. Trotzdem wahrte er Haltung und hob nur die Augenbrauen, als er trocken kommentierte: „Und dennoch möchtest du sie heiraten."
„Halt du dich da
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